Michael auch

Weiter geht es mit unserem Spezialthema zur vorherrschenden Umbruchstimmung in der Modebranche.
„Unsere Kundin denkt nicht in Saisons und nur daran, was für ihre Lebenssituation passt, und worin sie sich wohl fühlt. Ich dachte, dass es deshalb eine fantastische Idee sei, dass sie bereits jetzt ein paar Schlüsselstücke der Kollektion kaufen kann“, sagt Michael Kors zu seiner neuen Ready to Go Kampagne.

Die Modebranche in Umbruchstimmung

Der Designer wird aus seiner morgen zu präsentierenden Herbst/Winterkollektion 2016/17 einzelne Kleidungsstücke, Handtaschen und Schuhe zum direkten Kauf auf MichaelKors.com und im Michael Kors Madison Avenue Collection Store in New York anbieten (siehe Galerie unten). Wintermode 2017  schon im Winter 2016 kaufen! Michael Kors nennt seine neue Strategie: „If you love it you can buy it.

Nachtrag: die sofort kaufbaren Einzelteile aus der Kollektion 2016/2017

 
Er ist aber nicht der Einzige, der seine Markenstrategie umstellt und uns Modejournalisten vor die Frage stellt: Fahren wir künftig überhaupt noch zu den Modewochen? Von Tommy Hilfiger haben wir bereits die Beschreibung "Demokratisierung des Laufstegs" gelernt. Burberry brachte schon zuvor das Wörtchen "seasonless" ins Spiel, also saison-unabhängiges Präsentieren neuer Mode. Das Privileg, vor allen anderen die Mode sehen zu können, existiert ja eh kaum noch. Wozu auch? Zumindest als Modeblogger macht es mehr Spaß, Mode genau dann zu zeigen, wenn sie neu UND kaufbar ist – für uns und für den Leser.
Die Modeindustrie befindet sich in einer Umwälzung. Wir berichteten dazu schon mehrfach: Barbara fasste es zuletzt umfassend und treffend als eine "Fashion Revolution" >>> zusammen. Für die Modehauschefs ist es am Ende zwar auch eine Frage der Kommunikation, aber mehr noch eine Frage der Lieferkette: Wie schnell und optimiert kann von einem Entwurf bis zum fertigen Produkt gearbeitet werden? Noch hat Zara die Entwürfe der Designer vor ihnen selbst im Verkauf hängen. Für die Einkäufer bleibt alles beim Alten: Sie schauen sich die Entwürfe ein paar Monate vor dem Eintreffen in den Läden an. Das sagte man mir  zumindest bei Tommy Hilfiger. Andere Marken konzentrieren sich vielleicht mehr auf die eigenen Stores, was auch ein Trend ist, den Barbara vor drei Jahren aufzeigte >>>
Doch wann und wie sehen sich Modejournalisten die neue Mode an? Zusammen mit den Einkäufern im Showroom? Ganz ohne Schauenspektakel? Oder werden sie Zeit und Geld aufbringen, sich – wie gewohnt – in New York, London, Mailand und Paris in die Front Row setzen, um sich dann die Mode anzusehen, die jeder direkt danach kaufen kann? Verlage müssen auch an ihrer Produktionskette drehen. Immer weniger Redakteure durften in den letzten Jahre pro Medium nach New York fliegen. Die Auflagen gehen zurück, die Anzeigenkunden werden weniger und das Budget für Flugtickets und Hotels wird immer kleiner. Businessclass-Tickets sind auch nicht mehr drin – das alles schlaucht den Redakteur.
Immer mehr Schauen wurden gezeigt: Es gibt nicht mehr nur Sommer und Winter, sondern auch Cruise-, Resort- und Capsule Collections. Der Druck wuchs, auch weil die Umsätze zurückgingen. Das Wachstum in der 253-Milliarden-Euro-Branche hat sich 2015 halbiert, Powerhäuser wie Burberry oder Prada meldeten Gewinneinbrüche. Das spüren alle Beteiligten.  Die Kreativität hat unter dem Druck am meisten zu leiden – aber nur darum geht es eben auch in der Mode. Manche Designer entziehen sich dem immer schneller drehenden Rad wie beispielsweise Raf Simons, der dem großen Modehaus Dior den Rücken kehrte.
Gembalies Modepilot
Müde vom Fashion Circus? Die Luxusmode von Gembalies aus Berlin
Andere Luxusmarken wie Gembalies aus Berlin machen sich von all dem unabhängig und bieten ihrer Kundin lang erarbeitete, gut durchdachte Kleidungsstücke aus feinsten Materialien an. Punkt. Kein Saisondruck, keine aufwendigen Schauen. Bei einer persönlichen Salon-Anprobe bekommt die Kundin Inspiration und alles, was sie für das Erweitern ihrer Garderobe benötigt. Die Kollektion ergänzt sich organisch: Neue Entwürfe gliedern sich dann ein, wenn sie perfekt sind. Fast alles ist miteinander kombinierbar. Wen interessiert es denn noch, ob ein perfektes Kleidungsstück "last season" ist oder nicht? Isa und ich hatten jedenfalls bei unserem ersten Salonbesuch im letzten Jahr das Gefühl, dass hier gerade eine Alternative für Luxuskundinnen Revival feiert – vielleicht auch oder gerade weil es sich hierbei nicht um ein unbegrenzt skalierbares Geschäftsmodell à la Burberry & Co. handelt.
Die Entwicklung findet schon länger statt. Wenn Michael Kors gestern bekannt gab, er würde bereits morgen Teile aus den morgigen Laufstegkollektion zum direkten Kauf anbieten, dann ist das keine neue Idee. Zumal Tommy Hilfiger das schon vor genau vor einem Jahr tat >>>. Das Konzept der Fashion Shows für Auserwählte, wie es eine Zeit lang funktionierte, ist vorbei. Exklusivität ist aber Teil der Mode und die Frage lautet nun, wie sich diese künftig realisieren lässt? Reicht es, dass Designer ihre Trends vor Zara im Laden haben oder ist das Salon-Konzept von Gembalies der wahre Modeluxus?
Photo Credit: Catwalkpictures, Gembalies
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Barbara Markert sagt:

    Wie schauen denn diese Einzelteile aus, die man gleich kaufen kann? Nicht dass es dann T-Shirts mit Drucken sind und einfachste Accessoires. Und wo wird das denn dann so schnell produziert? Hat das Qualität oder ist das mit der heißen Nadel gestrickt? Schnell was nähen, können meine Nachbarn im Sentier-Viertel der Modekopisten auch, aber wie das Zeug ausschaut, brauche ich nicht auszuführen.

    Irgendwie habe ich nun den Eindruck, dass alle da mal schnell aus Marketing-Gründen auf den Zug aufspringen wollen, weil das Thema "Umschwung" heiß ist und man sich cool und modern zeigen kann, wenn man mitredet. Aber keiner hat die 100%ige Lösung der damit verbundenen Probleme parat.


    • Kathrin Bierling sagt:

      Das kann man jetzt alles schon kaufen aus der Herbst/Winterkollektion 2016/17:

      LOOK #14: Cashmere Sweater

      LOOK #40: Tweed Cashmere Cardigan

      LOOK #50: Cashmere Top mit Federdetails

      LOOK #50: Cashmere Rock mit Federdetails

      LOOK #52: Bestickter Cashmere Sweater

      SCHUHE

      LOOK #11

      LOOK #41

      LOOK #52

      HANDTASCHEN

      LOOK #11: Goldie Handtasche

      LOOK #36: Mia Handtasche

      LOOK #52: Julie Handtasche


      • Barbara Markert sagt:

        Ok verstanden. Klassische Modelle, die man so auch in den letzten Jahren hatte und die damals sich gut verkauften, sind neu aufgelegt und schon mal produziert worden. Einzige Ausnahme: Das Kleid mit dem Federn.

        Nun meine gehässige Frage: Die Pullis habe ich schon so im Schrank. Muss ich die nun noch mal kaufen? Ich hätte lieber sofort das Kleid aus Look 40, den Cardigan habe ich schon seit ein paar Saisons, aber für den Look fehlt mir DAS KLEID! Das ist neu in dem Schnitt und mit dem Schal.