Gaming & Fashion: Darum setzen Modemarken auf Videospiele

Fashion & Gaming. Videospiel-Figuren tauchen auf T-Shirts auf wie Mickey Mouse und Bandlogos, aktuell z.B. bei Uniqlo mit den Videogames 'League of Legends' und bald auch mit 'Animal Crossing'. Aber Modemarken tauchen auch innerhalb von Videospielen auf und das ist nicht mehr nur Marketing. Denn die virtuellen Outfits, „Skins” genannt, kann man nicht selten für echtes Geld kaufen. Findet die Modeindustrie gerade einen neuen Vertriebsweg, den nachhaltigsten überhaupt?
Es sind vor allem große Konzerne, wie Sport- und Luxusmarken, die sich da ausprobieren und Terrain sichern. Ihre Business Development-Abteilungen haben herausgefunden: Die Zielgruppe zockt mehr und mehr. Genau genommen zocken schon fast vierzig Prozent der Erdbevölkerung und der Anteil der Frauen wächst. Eine Platzierung von einer Handtaschen oder einem Schuh in einer Netflix-Serie reicht da künftig nicht mehr aus, wenn wir sie gar nicht sehen, weil wir parallel auf dem Handy 'Drest' oder 'Project Makeover' spielen (machen beide süchtig!!!).
Vielleicht kaufen wir in Zukunft auch mehr virtuelle Kleidungsstücke als echte. Das klingt vielleicht absurd, aber nicht für die attraktive Zielgruppe der Teens und Twens. Und, wenn man bedenkt, dass so ein Avatar, also des Gamers Stellvertreter in der virtuellen Welt, tausend Mal mehr gesehen wird als der Gamer selbst. Dann lohnt sich die Anschaffung eines Off-White-Hoodies doch eher aus Pixeln als aus Baumwolle.
„Klar, in einer normalen Woche spiele ich 20 bis 30 Stunden. Und in der Zeit sehen alle meinen coolen Kram und ich auch”, erklärt mir ein Gamer.

Mode in Videospielen: Passt das?

Noch stellen sich Modemarken in Videospielen ein bisschen so an, wie ich mich auf TikTok: wenig glaubhaft. Gamer kaufen bislang lieber typische „Skins” und sind weniger an Designerkleidung interessiert. Denn diese sind von der Modewelt weit entfernt. Außerdem haben echte Marken haben in diesen Fantasy-Spielen nichts verloren. Schließlich möchte man sich dort von der realen Welt zurückziehen.
Gamer, mit denen ich für diesen Artikel sprach, haben jeweils schon insgesamt zwischen 100 und 4.000 echte Euros(!!!) für rein virtuelle Outfits ausgegeben.
Sie wissen genau, welche Eigenschaften so ein neues Outfit für den Superhelden braucht. Da kann ein Designerkostüm leicht als albern wahrgenommen werden.
„Viel spannender finde ich aber den anderen Weg. Im Spiel kann man sich das Recht erspielen, echtes Zeug zu kaufen. Ich, zum Beispiel, habe letzte Woche für 130 Euro einen Ring und für 160 Euro eine Jacke gekauft,” sagt ein Spieler.
Diese echten Dinge haben dann allerdings das Branding des Videospiels und nicht einer Modemarke. Sie erinnern mich an Rollenspiele im Wald. Modemarken passen da nicht, findet auch ein Zocker.

Mode in Videospielen: Das passt!

Aber es gibt Spiele, da funktioniert das mit den echten Marken. Bei 'Pokémon Go' wird die echte Welt ins Spiel integriert und daher darf dort auch ein Markenrucksack auftauchen, erklärt man mir. Die Kooperation mit dem französischen Taschenlabel Longchamp kam im vergangenen Oktober deshalb gut an. Sie lockte die Spieler in ihre Boutiquen echten Boutiquen, wo es eine ganze Taschenkollektion mit den Pokémon Go-Motiven zu kaufen gab.
Bei Nintendos Neuauflage 'Animal Crossing: New Horizons' ist es auch irgendwie ok, wenn Modemarken mitmischen. Denn dort können sich Modebegeisterte auf ihren eigenen Inseln treffen. Sie kreieren historische Kostüme und (Designer-)Kleidung selbst und teilen diese per QR-Codes in sozialen Netzwerken.
Net a porter Headoffice Animal Crossing
Net-a-porter Headquarter im Spiel 'Animal Crossing' − Die Figuren tragen Outfits von Isabel Marant, die der Winterkollektion 2020 entlehnt sind
„How to make an Off-White Hoodie” erreicht – zusammen mit vergleichbaren Anleitungen für so einen Sweater in Schwarz/Weiß mit Pfeilmotiv ­auf Youtube – knappe 60.000 Aufrufe. Das ist vielleicht nicht sonderlich viel nach über einem Jahr. Auch die Download-Codes für derlei Outfits wecken auf den größten Instagram-, Twitter- und Pinterest-Accounts dieser Art noch ein überschaubares Interesse mit um die 1.000 Likes.
Aber es ist vielleicht nur eine Frage der Zeit, bis eine Platzierung eines Modeartikels in einem Videospiel so wertvoll ist wie in einer Serie. Und dann möchte jedes Modehaus Geschichte schreiben wie Manolo Blahnik in den 2000er Jahren mit „Sex and The City” – oder jüngst Kangol mit „Emily in Paris”. Da war der Erfolg schon kleiner.

Wachsender Einfluss von Videospielen

Videospiele haben mit einem Umsatz von 72,2 Milliarden US.-Dollar in 2019 den der Filmindustrie bereits eingeholt, zumindest im asiatisch-pazifischen Raum. Im vergangenen Jahr gab es weltweit schon 2,7 Milliarden 'Gamer' – von 7,8 Erdbewohnern. In der attraktiven Zielgruppe, den 14- bis 29-Jährigen, machen die Zucker schon 70 Prozent aus (laut Statista >>>).
Dabei haben die Zocker schon vor der Pandemie hundert Milliarden Euro für virtuelle Gegenstände ausgegeben. Und der Markt wächst: In zwei Jahren sollen es drei Milliarden VideospielerInnen sein.

Welche Marken spielen mit?

Die Liste der Marken, die sich da schon einmal positioniert, ist lang: Sie reicht von Adidas bis Valentino. Dabei suchen sich die Marketingbeauftragten das vermeintlich richtige Spiel aus. Bei Gucci setzt man auf das Styling-Spiel 'Drest', bei Moschino auf das PC-Spiel 'Die Sims'. Bei Nike entschied man sich, den Air Jordan im berühmten 'Fortnite' unterzubringen, und Louis Vuitton kooperierte bereits 2019 mit Riot Games für deren Computerspiel 'League of Legends'. Wobei man bei Louis Vuitton sich schon 2016 nach Computerspielen ausstreckte und ein 'Final Fantasy'-Avatar als Model einsetzte, wie Prada vier Jahre zuvor auch schon.
Im November 2020, zum League of Legends World Championchip, wurde eine echte Trophäe in einem echten Trophäenkoffer von Louis Vuitton überreicht. Das kennen wir sonst nur vom America's Cup oder der Fußballweltmeisterschaft (>>>). 44 Millionen Menschen schauten sich das an!
Balenciaga stellte seine Herbstmode 2021 Game-mäßig vor. Es heißt 'Afterworld'. Hier gibt es ein Video davon zu sehen >>>. Auch Burberry versucht es mit eigenen Spielen, wie B Bounce (>>>) und B Surf. Noch dazu kann man sich in China ein Skin von 'Burberry' kaufen, wenn man das Videogame 'Honor of Kings' (80 Millionen täglich aktive Spieler!!!) spielt. Für die Kooperation wurde ein Outfit aus dem berühmten Burberry-Karo des Trenchcoat-Innenfutters entworfen. Logo-Ohrringe und -Zepter gibt es auch.
Fashion Gaming Modepilot
Burberry kleidet eine Elfe in 'Honor of Kings'in seinem berühmten Karostoff ein
Authentischer ist es natürlich, wenn Modemarken ihre Pixel-Kollektionen von Gamern selbst gestalten lassen. So entwarf Kara Chung (>>>), Gamerin und talentierte Outfit-Gestalterin bei 'Animal Crossing: New Horizons', bereits Kollektionen für Valentino, Marc Jacobs, MCM, Margiela und eine für Isabel Marant auf der Net-a-porter-Insel. Da musste ich kurz laut lachen. Aber, wenn ich ganz ehrlich bin...

Selbsttest

Ich hatte mir neulich die App 'Project Makeover', auch ein Videospiel, heruntergeladen. Natürlich bin ich den ausgeklügelten Süchtig-mach-Strategien der Entwickler total verfallen. Auch ich wollte meine Makeover-Kandidaten im besten Outfit glänzen lassen, wofür ich nur noch eine Runde und dann nur noch eine letzte Runde, und dann doch nur noch, ...., anstatt ein gutes Buch zu lesen. Damit wollte ich mir Taler verdienen, um meinen Schützlingen coole Sachen kaufen zu können. Echtes Geld setze ich dafür zwar noch nicht ein, aber ich kann verstehen, wenn es andere tun. Schließlich wirkt es manchmal aussichtslos, das nächste Level zu erreichen, und die Chance, das schöne Wandgemälde für die Garderobe meines Avatars zu ergattern, verstreicht vermeintlich unwiderruflich.
Für Modefans und vor allem Shoppingsüchtige empfehle ich die kostenlose App 'Drest'. Sie ist ein Stylingspiel für Wanna-be-Stylisten, ins Leben gerufen von der ehemaligen Net-a-porter- und Porter-Chefredakteurin Lucy Yeomans. Hier kann man Models seiner Wahl für bestimmte Aufgaben (Surf Fotoshooting, Red Carpert, etc.) mit aktuellen Designerkleidern und -accessoires in Fotoqualität einkleiden. Auch Frisuren, Make-up, eine Versace-Trinkflasche oder Fendi-Ohrringe zählen dazu. Mit dem Gesamtlook verdient man Punkte. Selbst, wenn man sich ein paar Levels freikauft, ist das immer noch günstiger (und nachhaltiger!) als in Onlineshops echte Dinge zu bestellen.

Wohin geht die Reise?

In meinem geliebten 'Project Makeover'-Spiel, eine Mischung aus Candy Crush und Drest, gibt es (noch) keine Mode-Kooperation. Braucht es auch nicht. Die Kleider sind entweder kurz, lang, schräg, weit oder eng und haben eine Farbe. Vielleicht auch besser so, weil es auch hier eine Flucht aus dem Alltag ist.
Doch gäbe es dort, sagen wir mal, ein Kleid von Roland Mouret, indem mein Avatar plötzlich schlanker, aber mit schöneren Rundungen erscheinen würde. Ich würde mein PayPal-Passwort vermutlich zücken. Nur wird es wohl noch ein bisschen dauern, bis solche technischen Feinheiten für genau das Luxuserlebnis sorgen können, wie wir es aus der echten Welt kennen.

Ausstatten der Gamer

Übrigens tragen die besten Spieler der Welt, die NBA-Stars des Gamings sozusagen, schon mit Logos übersäte Polyesteranzüge bei den Meisterschaften,so wie die Fußballspieler. Da sehen wir die gleichen Logos wie im Sport: Nike, Mercedes, Red Bull.
Ansonsten ist das Ausstatten der Gamer noch etwas schwierig, da man sie außerhalb ihrer Meisterschaften − wenn überhaupt − nur ausschnittsweise in ihren YouTube-Videos sieht. Dort erklären sie dann ihre Strategien und Tipps und daher sieht man auf dem Bildschirm vor allem das Spiel. Der Spieler erscheint nur in einer der oberen Ecken und nur klein und meist eben gar nicht. Da kann man allenfalls mal einen Kopfhörer spendieren oder einen Kragen platzieren. Aber das war es dann auch schon.
Deshalb drängen die Markenlogos in die Pixel-Welten vor. Ob das die richtige Strategie ist, wissen wir noch nicht. Burberry wurde jedenfalls aus 'Honor of Kings' bereits wieder verbannt und Nike aus 'League of Legends'. In beiden Fällen deshalb, weil sich die Bekleidungskonzerne gegen Baumwolle aus dem umkämpften Xinjiang aussprechen, wo Uiguren von der Volksrepublik China unterdrückt werden. Es ist eben immer gut, das Terrain ausreichend zu erkunden, in dem man sich erfolgreich bewegen möchte.
Photo Credit: Net-a-porter.com, Balenciaga
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Vivien_noir.makeup sagt:

    Die Elfe im Burberry Karo... Ich dachte erst, das sollte ein Internet-Meme sein. Ist sieht auf jeden Fall für mein-auch Gaming-geschultes Auge- total fehl am Platz aus. Sehr viel offensichtlicher kann man Werbung vermutlich gar nicht gestalten.