Ultimativer Warm-Bleiben-Guide einer Frostbeule mit Fashion Know-how

Es wird immer kälter, aber das „warm Einpacken” lässt sich kaum noch steigern? Modische Aspekte sollen auch noch berücksichtigt werden? Willkommen in meiner Praxis. Auf diese Herausforderungen bin ich spezialisiert. Oder, wie Isa mein Verhältnis zur Kälte formuliert: „Wenn das Thermometer unter die 30-Grad-Marke sinkt, sagt Kathrin: 'ganz schön frisch geworden, lass einpacken'”. Mit anderen Worten: Ab Anfang September rüste ich auf. Würde ich nicht die ultimatven Warmhalte-Tricks kennen, wäre ich bereits in meinem ersten Jahr in Bayern erfroren.
Gute Nachrichten für Modeliebhaber: Es gab jahrzehntelang keine so dankbare Saison wie die diese. 2019/20 kann man sich sehr warm anziehen und liegt damit voll im Trend. Zu verdanken haben wir das bestimmten Hosen, Oversize-Schnitten, Layerings, Statement-Unterziehern und Schuhen, die so geräumig sind, dass mehrere Sohlenwärmer reinpassen.

1. Cordhosen

Seit 2017 feiern Designer die Cordhose auf dem Laufsteg, teilweise gar als Denim-Alternative. Sie glaubten schon selbst nicht mehr an deren Durchsetzung im Straßenbild – von männlichen Brunello Cucinelli-Kunden einmal abgesehen. Doch jetzt, da sich viele Designermarken ihrer längs gerippten Beinkeider im Sale entledigten, bekommen sie ihren verdienten Realitätsanspruch. Vor allem samtiger Breitcord in Form von weit geschnittenen und weich fallenden Hosen ist jetzt begehrter als jede Jeans. Schöner Nebeneffekt: Sie hält – durch ihr Rippen-Volumen – wärmer als Denim- und andere Stoffhosen.
 

2. Leder-Layering

Der Wärmerückhaltevermögen wird natürlich stark positiv beeinflusst, wenn statt einer Baumwollbluse eine Lederbluse getragen wird; statt eines Blazers ein Lederblazer, statt eines aus Gabardine einer aus Leder. Das Schichten von Leder ist eine der effektivsten Vorkehrungen gegen die Kälte und aktuell auch eine, die von italienischen Modelabels (Bottega Veneta, Salvatore Ferragamo, Tod's) als Stilmerkmal angewendet wird.
 
Tipp: Wer einen Lederblazer unter seine Winterjacke oder Mantel zieht, ist gut gerüstet.

3. Wenn Geld keine Rolle spielt

Wenn das Budget fürs neue Winter-Outfit keine Grenze kennt, dann empfehle ich ein komplettes Outfit aus der Herbst/Winterkollektion 2019/20 von dem japanischen Label Sacai. Oder auch zwei oder drei Outfits – eh besser als sich ein neues Auto zu kaufen. Mit so einem Komplett-Look von Designerin Chitose Abe, der gar nicht so viele Einzelteile braucht wie es aussieht (und dennoch leicht auf 5.000 Euro kommt) kann man auch im Wald übernachten, ohne Zelt. Ihre Mode ist aber auch fürs Reisen, den Spielplatz und den Konferenzraum geeignet. Kurz: genial.
 

4. Oversize-Schnitte

Je mehr Luft, umso besser die Wärmedämmung. Das gilt auch für die Mode. Und da nun Oversize auf Oversize trifft, sind wir isoliert wie ein Michelin-Männchen. Doch sehen weite Oberteile zu weiten Unterteilen 2019 manchmal genauso bescheuert aus wie in den Jahren zuvor. Immerhin läuft es jetzt unter 'Trend'.  Was ich noch mitmache: eine weite Hose zu weitem Oberteil, aber mit enger Taille kombiniert – „Sanduhr-Silhouette”, nennt man das. Das gefällt mir gerade sogar überraschend gut. Winterjacken, wie solche von Esprit (Es muss ja nicht gleich eine teure Designerjacke sein), bestelle ich einfach eine Nummer größer. Aber Zelt auf Zelt – Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen können. Auch, wenn es extra warm hält.
 

5. Winterschuhe

Winterstiefel und -stiefeletten im Zweifel eine halbe Nummer größer kaufen, damit eine Lammfellsohle hineinpasst. Soviel zum praktischen Teil. Der modische Teil ist aber mindestens so praktisch. Denn würde Carrie heute noch in New York vom Schreiben einer Zeitungskolumne nicht nur leben, sondern auch die teuersten Designerschuhe kaufen können, würde sie jetzt die 'Combat boots' von Bottega Veneta oder Prada tragen. Das sind nichts anderes als Kampfstiefel vom Laufsteg, mit denen man jetzt auch in ein Sternerestaurant gehen kann, wenn ein Modemensch einlädt. Endlich nach einem langen Dinner gemütlich nach Hause laufen und frische Luft schnappen können!
Wem diese Designermodelle zuviel nach Krieg aussehen, greift auf ähnliche, aber elegantere Modelle wie jene von Ann Demeulemeester oder Marsèll zurück. Und bedankt sich bei Miuccia Prada und Bottega Veneta-Chefdesigner Daniel Lee für die Ebnung des Wegs, festes Schuhwerk auch zum Ausgehen tragen zu können.
 

6. Locker lassen

Verkrampfen ist ein automatischer Reflex, wenn man sich unwohl fühlt, so auch bei unangenehmer Kälteeinwirkung. Ein Aktmodell an der Uni erklärte mir einst: „Du musst die Kälte umarmen, sie tief einatmen, zulassen. Dann frierst Du nicht.” Daran muss ich manchmal denken, wenn ich mich wieder dabei erwische, mit hoch gezogenen Schultern und eingezogenem Nacken durch die Straße zu laufen.
Ich lasse dann locker, atme tief ein und tatsächlich: Es hilft. Gleiches gilt für eng gebundende (Combat-)Stiefel: Mein Körper erstarrt zu einer Eissäule, wenn die Durchblutung irgendwo längere Zeit abgeschnürt ist, sei es durch eine zu eng sitzende Jeans oder zu eng geschnürtes Schuhwerk. Es mag unlogisch klingen, aber locker sitzende Kleidung und Schuhe sorgen für einen besseren Temperaturausgleich als eng sitzende.
Prada Combat boots
Hier verkrampft vielleicht das Auge, aber wenigstens nicht der Fuß. Locker machen kann ich mich, was diese Prada-Stiefel angeht, nicht: zu klobig für meinen Geschmack. Aber immerhin sorgen sie für eine Schuhmode, mit der ich durch den Winter komme: flache Schnürstiefel mit schneetauglicher Sohle.

7. Statement Unterzieher

Was neulich noch der weiße Rollkragen war, ein warmer Unterzieher für den Strickpullover und das ärmellose Wollfilzkleid, ist 2019 nicht mehr das Ergänzungsbasic, sondern spielt die Hauptrolle. Begonnen hatte die Welle mit engen Rollkragenshirts bei Balenciaga: grell bunt und mit Blumenmotiven, manchmal auch aus Samt. Jetzt trägt man sie mit Halbmond-Motiv von Marine Serre, einer ehemaligen Balenciaga-Designerin. Denn die Französin, die erst 2018 ihr Laufstegdebüt feierte, steht noch für so etwas wie Haltung. Ihre Modenschauen gehen auf Klimawandel und weltpolitische Unsicherheit mit Outfits für eine Apokalypse ein. Ihr 'Moon Top Ten' hat jetzt schon Wiedererkennungswert. Serre führte es nach den islamistischen Terroranschlägen von Paris und Brüssel ein – als Zeichen der Umarmung eines klassischen Symbols des Orients.
 

8. Hoch geschlossen

Alles hoch geschlossen: Hosen und Röcke sitzen in der Taille und höher, Krägen unterm Kinn. Dieses Jahr kann es wirklich nirgendswo kalt reinziehen. Wenn es nach den Designern geht, wird alles hermetisch abgeriegelt. Die züchtigen Looks erinnern mich an die Monturen, die ich trug, wenn wir die Großeltern besuchten. Das war immer auch gemütlich.
 
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Jessica sagt:

    Wow die Sacai Outfits sehen echt toll aus?

    Vielleicht habe ich ja Glück und gewinne mal im Lotto... Nur dafür müsste ich erstmal Lotto spielen?


  • katha whispers sagt:

    Ganz tolle Anregungen und Layering at its best! Ich trage seit zwei Jahren dünne Uniqlo-Daunenmäntel unter Wollmänteln, so kann man schon ein bisschen Farbe reinbringen und bleibt schön warm. 🙂