
Label to watch: Hanna Fiedler
Bei Modedesignerin Gabriela Hearst in New York lernte sie, dass man bei Materialien keine Kompromisse eingehen muss. „Alle Stoffe haben sich toll angefühlt – Das hat mich inspiriert, meinen eigenen Weg zu gehen”, sagt Hanna Fiedler. Die deutsche Nachwuchsdesignerin wunderte sich zuvor „über die vielen schönen Designs überall, die man alle nicht auf der Haut tragen möchte.” Im vergangenen Jahr gründete sie ihr gleichnamiges Modelabel Hanna Fiedler in London, mit Leidenschaft fürs lokale Schneiderhandwerk und ohne Kompromisse – fürs Hautgefühl.
Im Gespräch mit Modedesignerin Hanna Fiedler
Modepilot: Was tragen wir auf der Haut, wenn wir Hanna Fiedler tragen?
Hanna Fiedler: „Fast ausschließlich Naturmaterialien: Das Leinen stammt von einem Trachtenbetrieb aus Österreich, die Hemdenstoffe aus der Schweiz und Italien, die Seide beziehe ich über einen englischen Händler, aber sie hat ihren Ursprung natürlich in Asien.”
MP: Wofür steht „fast”?
HF: „Für eine Jacke brauche ich ein Futter, das für etwas Stand sorgt. Das ist aus einem Baumwolle/Viskose-Gemisch.”
MP: Nach der technischen Ausbildung zur Maßschneiderin an der Oper Berlin, hast Du in London Modedesign studiert. Was würdest Du sagen, ist die wichtigste Eigenschaft eines Modedesigners?
HF: „Du musst dich mit dir selbst auseinandersetzen und alles, was Du da siehst, akzeptieren. Sonst lässt du dich zu sehr von dem beeinflussen, was andere tun, und bleibst auf der Strecke.”
MP: Worin resultiert die Auseindersetzung mit Dir selbst?
HF: „Das Wichtigste für mich ist es, wie sich etwas anfühlt. Ich kreiere gern mit meinen Fingern: von der ersten Zeichnung, über die Schnittkonstruktion und Stoffauswahl bis zum Prototypen. Der gesamte Designprozess bleibt in meinen Händen. Das ist es, was mir am meisten Spaß macht an der Mode. Die meisten meiner Kollegen fertigen nur noch Skizzen an, der Rest wird in Italien erledigt.”
MP: Der Kunde bekommt davon nichts mit.
HF: „Ich lasse die von mir gefertigten Prototypen von Freunden Probe tragen. Danach nehme ich entsprechende Anpassungen vor: hier einen Zentimeter nach links, dort einen zusätzlichen Abnäher. So etwas ist möglich, weil ich mein Schnittmuster kenne und weiß, was ich tun muss, damit sich das Kleidungsstück nicht verschiebt. Und ich bin sehr großzügig bei der Stoffvergabe.”
MP: Was heißt das?
HF: „Ich stöbere am liebsten in Vintage-Mode. Früher wurde mehr Stoff verwendet, überhaupt aufwendiger gearbeitet. Das findet man heute gar nicht mehr. Die Masse an Stoff hat für mich so eine Eleganz – sie ist leicht und schwer zugleich.”
MP: Dabei wirkt Deine Mode alles andere als retro.
HF: „Nein, das ist sie auch nicht, aber zeitlos soll sie sein. Die Kollektionen bauen aufeinander auf und sind miteinander kombinierbar.”
Wie zeitlos kann Mode sein?
MP: Kann Mode denn überhaupt zeitlos sein?
HF: „Mode kann nicht zeitlos sein, Kleidung aber schon. Wenn man nur Trends kauft, dann hat das nichts mit Persönlichkeit zu tun.”
MP: Aber auch eine auf die Persönlichkeit abgestimmte Garderobe folgt unweigerlich Trends.
HF: „Ja, klar, absolut. Modetrends sind immer auch ein Ergebnis kultureller Entwicklung. Ich meine eher die schnellen Trends, die nur drei Monate andauern, und kreiert wurden, um zu verkaufen. Natürlich unterliegen meine Kollektionen auch gewissen Strömungen.”
MP: Welchen Strömungen unterliegt Deine Sommerkollektion 2020 (in diesem Artikel zu sehen, Anm. d. Red.)?
HF: „Ich hatte im Vorfeld viel von und über Agatha Christie gelesen, und war fasziniert, wie nonchalant sie darüber sprach, dass das Schreiben ja lediglich ein Hobby gewesen sei. Dabei hat sie ja so viel geschrieben! Sie war eine moderne Frau – übrigens die erste Europäerin, die surfen ging. Später hat sie einen 14 Jahre jüngeren Mann geheiratet. Auch mit der österreichischen Modeschöpferin Emilie Flöge setzte ich mich auseinander. In beiden Biografien kam der Begriff „Sommerfrische” auf, den ich spannend finde. Die Idee, keinen Urlaub zu machen, aber einen Sitz für die Sommermonate zu haben...”
MP: Wow, das klingt nach einer Kollektionsbeschreibung wie man sie sich als Journalist (und potentielle Kundin) nur wünschen kann. Kommt Dir für so einen Kreativitätsprozess das Studium in London zu Gute?
HF: Ja, absolut. Hier habe ich gelernt, dass ich nicht versuchen sollte, normal zu sein. Das Technische hatte ich schon drauf, deshalb konnte ich mich aufs Kreative konzentrieren.”
Ein drohender Brexit und die Mode
MP: Wirst Du in London bleiben – egal, was ein drohender Brexit mit sich bringt?
HF: „Ich möchte sehr gern bleiben, aber nicht um jeden Preis. Es könnte in Zukunft schwierig werden, geeignete Fachkräfte zu finden. Wenn Du heute in die Ateliers schaust, sitzt da kaum ein Brite. Stoffe aus der EU könnten teurer werden. Aber ich habe mich in London verliebt. Das Interesse der Industrie, auch von der Presse, in neue Gesichter ist hier groß. Außerdem habe ich hier das traditionelle Schneiderhandwerk – ich mag den persönlichen Austausch mit meinen lokalen Produzenten.”
Frühjahr/Sommerkollektion 2020

Newsletter
Photo Credit: Julia Shashkina für Hanna Fiedler
Kommentare