Juni 2018: In the mood for...
Mein aktuelles Lieblingsthema: Der Film „Je ne suis pas un homme facile”. Im Deutschen heißt er: „Kein Mann für leichte Stunden”, im Englischen: „I'm not an easy man”. Prinzip verstanden?
Ich verstand es erst beim Anschauen des Films: Der Titel soll bereits deutlich machen, wie tief die Rollenverständnisse tatsächlich sitzen. Er kommt einer Aussage gleich, die wir einer Frau zuschreiben würden, aber keinem Mann. Deshalb wirkt der Titel – egal in welcher Sprache – auch erst einmal etwas sperrig.
Dabei ist der neue Film von Éléonore Pourriat gar nicht so sperrig, sondern lustig und romantisch – ganz im Vergleich zu ihrem Erstlingswerk von 2010 („Unterdrückte Mehrheit” >>>) mit gleicher Besetzung und gleicher Aussage. Jetzt also ein spielerischer Zugang zu einem ernsten Thema. Warum werden Frauen weniger ernst genommen, warum setzt man sich leichter über sie hinweg und, warum werden sie in umgänglich oder schwierig eingestuft? Wenn wir die Rollenbilder einfach eins zu eins vertauschen wie in dem Film, dann ändert sich auch das Selbstverständnis. Das ist sehr unterhaltsam und regt zum Nachdenken und Diskutieren an.
Damien, gespielt von Vincent Elbaz, ist erfolgreich, fährt ein schnelles Auto und flirtet gern mit allen schönen Frauen, die ihm begegnen. Die Welt scheint ihm zu gehören, bis er eines Tages beim Hinterherschauen zweier junger Frauen in Hotpants gegen ein Straßenschild knallt und bewusstlos wird. Nach dem Aufwachen sind es die Männer, die Bein zeigen und die Frauen pfeifen ihnen nach.
Ach, das Leben kann so herrlich unkompliziert sein in der Rolle des Mannes. Die von ihm angeflirtetete Alexandra, gespielt von Marie-Sophie Ferdane, ist nun die Erfolgreiche, der die Welt zu Füßen liegt. So verhält sie sich und so soll es sein. Das Genie – sie ist Schriftstellerin – muss sich auf das Wesentliche konzentrieren können. Da ist kein Platz für ein kompliziertes Privatleben. Liebhaber werden von ihr im Hotel getroffen und mit Geschenken abgespeist. Auch ihr Kleiderschrank macht ihr keinen unnötigen Stress: nur dunkle Anzüge und weiße Hemden.
Ich musste an meine Freundin Julia denken, die mir einmal von einer Studie erzählte, in der es darum ging, dass man mehr (Hirn-) Kapazitäten frei hat, wenn man sich morgens weniger Gedanken über sein Outfit machen muss. Männer liegen demnach klar Vorteil. Die Silicon Valley-Jungs sind das beste Beispiel dafür: T-Shirt-, Jeans-, Flip-Flop-Kombinationen ohne jeglichen Anspruch außer jenen, keinen Anspruch daran zu haben.
Ich träumte auch schon von einem Kleiderschrank, in dem ausschließlich meine soliden Favoriten in mehrfacher Ausführung hängen. Jeder Tag würde mit dem Anziehen einer Uniform beginnen.
Seitdem ich den Film sah, stelle ich mir zudem vor, wie es wohl wäre, den Postboten und Kurieren an der Tür in einem offenen Hemd zu begegnen. Wenn das Hemd beim Unterschreiben dann aufklaffen und einen Blick auf meinen Busen zulassen würde, würde ich wie Alexandra im Film sagen: „Was ist denn mit Ihnen? Aaaah, meine Bauchmuskeln bringen Sie aus der Fassung. Mal probieren?” Dann klatscht sich Alexandra auf den angespannten Bauch: „Hart wie Beton”, sagt sie. Zuvor hatte sie ihrem neuen Assistenten Komplimente für sein Outfit, einen Anzug mit sehr kurzen Hosen, gemacht: „Das Marineblau steht Ihnen gut. Es wirkt seriös.”
Damien, der Assistent, zieht seine Loafer im Eingangsbereich aus und versucht, unbeobachtet, die hautfarbenen Füßlinge in ihnen zu verstecken.
Wie sollen die beiden noch zueinander finden? Das Gefälle scheint zu groß, aber Damien emanzipiert sich, der alte Maskulinist. Unbedingt sehenswert. Der Film läuft auf Netflix >>>
PS.: Je länger ich mir Gedanken darüber mache, desto schlechter sind die Beispiele der Silicon Valley-Jungs vielleicht. Denn könnte es nicht viel eher der Fall sein, dass die bedachte Auswahl eines Outfits am Morgen Gehirnströme anregen, die ein ganzheitliches Denken unterstützen?
PPS: So schön so ein übersichtlicher Kleiderschrank sein mag, er würde uns morgens aber auch unterfordern. Ich bräuchte eine Tasse Kaffee mehr, um in die Gänge zu kommen. Heute habe ich mich für einen weiten, gelb-weiß karierten Baumwollrock entschieden, dazu ein weißes T-Shirt. Das dauerte nicht lange, aber die Entscheidung zu dieser luftigen Option an so einem 28-Grad-Tag machte mir große Freude. Wenn ich mich gleich zum Mittagessen raus setze, dann werde ich die schwitzenden Herren, die ihre Hemden und Anzüge in die Reinigung bringen müssen, nicht beneiden.
Es gab eine Zeit, da trugen Männer kurze Beinkleider, schmückten sich und betonten ihr Gemächt mit Schamkapseln. Das war ein Zeichen der Macht in der Renaissance. Alles eine Frage der Einstellung? Das Kunsthaus Zürich zeigt gerade einige Gemälde dazu im Rahmen einer fantastischen Ausstellung: Fashion Drive – extreme Mode in der Kunst >>>, auch sehr empfehlenswert. Sie läuft noch bis zum 15. Juli 2018.
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Photo Credit: Screenshots vom Film, der auf Netflix läuft
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