Schiaparellis Wildtierköpfe - Aufschrei in der Couture

Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine der aufsehenerregendsten Shows der Saison. Schiaparelli präsentierte gestern früh um zehn Uhr die Haute Couture Show Inferno in Paris. Eine Kollektion, inspiriert von Dantes gleichnamiger göttlichen Komödie aus dem 14. Jahrhundert. Darin beschreibt er die Reise der Seele durch die Hölle, die bei Gott endet. Ein episches Gedicht, das Unmengen an Zuschauern in viele der berühmtesten und renommiertesten Theater der Welt lockte. Selbiges geschah im Hause Schiaparelli. Im Zentrum jeglicher Berichterstattung finden sich Schiaparellis Wildtierköpfe.
Für einen kurzen Augenblick war ich schockiert. Sind das wohlmöglich echte Exoten, die ein Jäger für Unmengen Geld in seinem Anwesen verscharrte? Stammen Leopard, Löwe und Wolf aus einer Sammlung präparierter Wildtiere? Daniel Roseberry, Creative Director des französischen Haute Couture Hauses, gab sofort Entwarnung.
„NO ANIMALS WERE HARMED IN MAKING THIS LOOK.“
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Es geht auch anders

In unvergleichlich akkurater und filigraner Handarbeit skulpturierte und schmückte das hauseigene Team die drei sehr realistisch aussehenden Wildtierköpfe. Schiaparelli setzt damit ein klares Statement: Schönheit hat Grenzen. Der Kopf eines Wildtieres gehört an das lebende Tier und sollte nicht für ästhetische Zwecke präpariert werden. Als Statussymbol sind solche Trophäen mit Leid verbunden – Und das ist schlicht und ergreifend krank. Denn viele dieser Sammelobjekte, wie der afrikanische Löwe, sind so stark vom Aussterben bedroht, dass sie auf der roten Liste stehen. Wir sind uns sicher, dass das Umdenken kommt und berichteten in unserer Umfrage „Was wird die Mode in den 2020ern verändern?“ >>>.

Glorifizieren versus Zelebrieren

Schaut man sich die Kommentare unter den veröffentlichten Beiträgen zur Show an, ist ein Kritikpunkt unübersehbar. Die Rechte der Tiere kämen zu kurz, weil sie als Accessoires glorifiziert würden. Für mich ist diese Kritik aber nicht ganz berechtigt. Schiaparelli hat es geschafft, etwas ganz besonderes zu präsentieren und dabei nicht einzig und allein an das Aussehen gedacht. Das Haus hätte genauso gut auf den Schockmoment zielen und die Idee ohne Rücksicht auf Verluste erstellen können. Wer es schafft, den Anblick eines wunderschönen Tieres zu inszenieren, ohne dabei das Tier selbst getötet zu haben, zelebriert seine Schönheit.
Dafür wurde dann Seide genutzt, die leider ebenfalls Leid verursacht. Denn Seidenspinnerraupen werden langsam gekocht, bis sie ihre Seide freigeben. Darum können wir auch nicht von einem veganen Produkt sprechen. Ohne wäre es für meinen eigenen Geschmack weitaus revolutionärer gewesen, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ingrid Newkirk, Präsidentin von PETA verteidigt die Aktion. „Die Looks (...) zelebrieren die Schönheit wilder Tiere und könnten ein Statement gegen die Trophäenjagd sein, bei der Löwen und Wölfe zerfetzt werden, um den menschlichen Egoismus zu befriedigen. Wir ermutigen alle, sich zu hundert Prozent an Designs zu halten, die den menschlichen Einfallsreichtum zeigen und Tierleid verhindern.“ (>>>)

Money makes the world go round

Die Nutzung echter Pelze steht für Modehäuser, ganz besonders jene, die Haute Couture herstellen, nicht zur Debatte. Der Markt verlangt genau das. Wir berichteten darüber in unserem Artikel „Wer sitzt beim Pelzhaus in der ersten Reihe?“ >>>.
Der Wert eines Couture Mantels liegt oftmals in der Exotik des verwendeten Fells. Dabei lässt sich streiten, ob es aufwendiger ist, ein Tier zu töten und zu häuten, oder selbigen Anblick mit anderen Mitteln zu kreieren. Ganz abgesehen vom ethischen Wert eines Lebens. Ich bin begeistert von den Stücken und Schiaparellis Wildtierköpfen. Nicht nur wegen des Bezugs zu Dante, sondern vor allem wegen der starken Message für die Couture und dadurch auch für die gesamte Branche.

Ikonen auf dem Laufsteg

Schiaparelli Modepilot Haute Couture Wolf 2023
Shalom Harlow (mein absolut liebstes Lieblingsmodel) im Faux Fur Leopardenkleid von Schiaparelli, Haute Couture Frühjahr/Sommer 2023
Schiaparelli Modepilot Haute Couture Wolf 2023
Naomi Campbell im schwarzen She Wolf Mantel von Schiaparelli, Haute Couture Frühjahr/Sommer 2023
Schiaparelli Modepilot Haute Couture Wolf 2023
Irina Shayk im schwarzen Kleid mit hauseigenem cruelty-free Löwenkopf, Schiaparelli, Haute Couture Frühjahr/Sommer 2023
Grund für die schnelle Verbreitung der Frage nach der Echtheit des Tierkopfes war wohl auch Kylie Jenner, die den Löwen-Look bereits als Gast bei der Show trug.
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • C. K. sagt:

    Fortschritt braucht ganz einfach seine Zeit. Ich empfinde die Kritik ebenfalls als überzogen, auch wenn ich gegen Seide bin. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung und diese Skulpturen sind unglaublich schön.
  • Monika H. sagt:

    Leider sieht es eben doch nach Trophäen aus, die man irgendwie befestigt hat. Kopf ab und ran an die Robe. Das ist der erste Eindruck und der bleibt haften. Was stimmt nicht mit der Modewelt? Erst Balenciaga, jetzt Schiaparelli.