Rabattschlacht oder Black Friday Boykott?

Wie entscheidet Ihr Euch?

Seit Wochen bekomme ich Black-Friday-Alerts. Mein Kleiderschrank ist voll, auf der UN-Klimakonferenz COP 27 wurde das 1,5-Grad-Ziel lauter denn je diskutiert. Denn wir haben bereits 1,1 Grad ErderwĂ€rmung erreicht und dieses Jahr werden wir den bisherigen CO2 Rekord brechen. Der CO2 Ausstoß der Mode macht ĂŒbrigens vier Prozent aller Emissionen aus. 2018 waren das zwei Milliarden Tonnen (Quelle >>>).
Modepilot Blanche Mode
Geht mit gutem Beispiel voran: das Modelabel Blanche aus Kopenhagen
Warum können wir nicht darauf verzichten? Konsum ist zentraler Bestandteil unserer Wirtschaft, fördert ArbeitsplĂ€tze, GlĂŒcksgefĂŒhle und ist fĂŒr viele eine schöne Belohnung. Der zusĂ€tzliche Genuss der SchnĂ€ppchenfreude war allerdings frĂŒher in Europa nur erst nach Weihnachten, mit dem Winterschlussverkauf zu haben. November und Dezember waren die Monate, die fĂŒr den Handel die Abverkaufsquoten ausmachten und ĂŒber RentabilitĂ€t, Rabatt oder Ruin bestimmten.

Black Friday − ein Trend aus den USA

UrsprĂŒnglich entwickelte sich der Freitag nach Thanksgiving seit den 1960er Jahren in den USA unaufhaltsam zum Weihnachtsvorverkauf. Damit sollte die Konsumfreude zwischen den zwei absatzreichsten Perioden des Jahres aufrecht erhalten werden. Doch auch bei uns − ganz ohne Thanksgiving-Kultur − steigt der Black-Friday-Konsum laut Sirius Campus ordentlich − von 1,7 Mrd Euro in 2016 auf 5,3 Mrd Euro in 2021. Mit 48 Prozent steht der Modekonsum an der Spitze der Black Week.
GlĂŒcklicherweise erkennen immer mehr Marken, wie wichtig es ist, nachhaltig zu fertigen und sehen die Dekadenz der Rabattschlacht als Chance, um mit neuen Perspektiven zu verĂ€ndertem Konsum zu ermutigen. Denn nur so können wir die notwendige Halbierung der CO2 Emissionen der Mode auf 1,11 Mrd Tonnen CO2 pro Jahr bis 2030 erreichen. Ökologisch zu sein, heißt humanistisch zu sein, denn die Frage lautet: Wer zahlt den Preis?
Mit unserem Konsum können wir nachhaltige Trends und Innovation auslösen, ja, ganze Branchen verĂ€ndern. Anstatt vermeintliche SchnĂ€ppchen und Dinge zu kaufen, die wir nicht brauchen, ist es sinnvoll vorher eine Liste der notwendigen Dinge zu machen. Wir können unsere Liebsten fragen, was sie sich wirklich wĂŒnschen. Und vielleicht schaffen wird es hier und dort, dem Hedonismus, der kurzzeitigen Lust, egal was morgen ist, AdĂ© zu sagen. Es ist Zeit fĂŒr Epikur, der in Genuss und GlĂŒck die Folgen einkalkuliert, also auch den Kater danach.

Schöne Alternativen: Marken mit besseren Ideen

Modepilot Blanche Market
Geht am Freitag als Alternative live: Blanche Market
„Don’t buy this jacket“ − Mit dieser einseitigen Anti-Konsum-Anzeige in der New York Times hat Patagonia 2011 seine Anti-Black-Friday-Kampagne gestartet. Dieses Jahr rufen sie unter dem Motto „Lasst uns zusammen alt werden“ zum Reparieren auf − am „Better Friday“. WĂ€hrend der Öko-Pionier schon jetzt online ist, eröffnet das junge Fair-Fashion-Label Blanche aus Kopenhagen erst am Freitag seine neue Tauschbörse, den Blanche Market. Hier können dann Musterteile, ÜberhĂ€nge und Secondhand-Mode gekauft und von Konsumenten angeboten werden. Es lebe der Kreislauf und die Langlebigkeit!
Die spanische Modemarke Ecoalf schockiert mit den zerstörerischen Zahlen der Textilindustrie und mit 0 Prozent Rabatt. Gemeinsam mit dem Poeten Tomfoolery rufen sie stattdessen zur VerÀnderung unserer Gewohnheiten auf:
„Break your habits, not the planet“.
Tomfoolery reimt fĂŒr Ecoalf. Das hat Unterhaltungswert, einen tollen Flow und die Reime der Kunstfigur sind gespickt mit Informationen (z.B. dass wir nur 40 Prozent der Kleidung, die wir kaufen, auch tragen) − sehenswert, hörenswert >>>.

Black Friday Boykott − Wer macht noch mit?

Der Kölner Eco & Fair Modepionier Armedangels nimmt das Tempo raus und möchte bewussten Konsum anregen. Ihr sollt nur das kaufen, was wirklich benötigt und gemocht wird, keine unĂŒberlegter Ad-hoc-Entscheidungen mehr, keine Preisschlacht, sondern einen Monat lang 20 Prozent auf einige Lieblingsteile.
Modepilot Mode von Armedangels
Black Friday Boykott − Die Modemarke Armedangels setzt auf gut ĂŒberlegte Lieblingsteile
Freitag Taschen aus der Schweiz sind seit jeher ein nachhaltiges Recyclingprodukt, sie werden aus ehemaligen LKW-Planen gefertigt. Die Firma hat den S.W.A.P. Friday (Shopping Without Any Payment) eingefĂŒhrt und linkt auf ihre Tauschbörse (>>>). Sie laden ein, im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu tauschen, anstatt neu zu kaufen. Gemeinsam mit verschiedenen Partnern rufen sie den Green Friday aus.
SWAP Modepilot Freitag Black Friday Boykott
Tauschen statt kaufen − mit Freitag Taschen
Bei Mud Jeans kann man Jeans leasen. Diesen Freitag ist ihr Onlinestore geschlossen und Du kannst per Livestream nur Vintage Jeans kaufen.
Die schwedische slow-fashion Marke Asket schließt auch ihren Online Store und ermutigt zum Pflegen, Reparieren und Wiederverwenden.
Auch das Schweizer Label Nikin ruft zum Green Friday auf und pflanzt pro verkauftes Produkt zwei BĂ€ume. An anderen Tagen ist es einer und bisher haben sie schon ĂŒber 1.8 Millionen BĂ€ume gepflanzt.
Das nachhaltige Sneaker-Label Komrads aktiviert zum MĂŒllsammeln und verkauft am 25. November einen MĂŒllsack und ein Paar Handschuhe fĂŒr knapp acht Euro. Das Motto: Mach deine Komrads schmutzig und den Planeten sauber! MĂŒll sammeln kann jeder. Gemeinsam mit der Organisation Trashpackers sagen sie nein zum Shoppen und ja zu einer sauberen Umwelt.

Noch mehr schöne Alternativen zum Black Friday

Das Kölner Fair Fashion Label Lanius kreiert den Blue Friday, an dem das Label zehn Prozent aller Einnahmen an die Organisation Healthy Seas spendet. Details findest Du hier >>>
Die Bayerische Hosenmarke Mac kreiert den „Mac Bright Friday" und spendet der Seniorenhilfe LichtBlick e.V. die sich um bedĂŒrftige Rentnerinnen und Rentner kĂŒmmert, deren Altersversorgung nicht mehr zum Leben reicht. So kann man umweltfreundliche Hanf- oder Leinenjeans kaufen und gleichzeitig die Gesellschaft unterstĂŒtzen.
Der aktuelle Newsletter der Schuhmarke Essen (kurz fĂŒr Essentials), die mit dem Slogan „Buy less, wear longer“ wirbt, lautet wie folgt: Wir kreieren jedes Jahr 92 Millionen Tonnen TextilmĂŒll und bis 2030 sollen es jĂ€hrlich 134 Millionen Tonnen werden. Sie fordern auf, nachhaltiger zu kaufen: lokal, auf WochenmĂ€rkten, von CO2 neutralen Marken, mit Recyclingverpackungen und ohne Plastik.
Soweit zum kreativen Angebot der Davids sich der Industrie und deren Rabattschlacht zu widersetzen. Doch solange Goliaths wie H&M weitermachen und mehr denn je mit scheinbar unschlagbaren Angeboten verfĂŒhren wollen, wird es schwer sein, sich auf Dauer zu widersetzen. Daher diese elf Tipps...

1. AnhÀufung vermeiden

Hab nur Dinge in Deinem Haus, die nĂŒtzlich oder schön fĂŒr Dich sind. Gib alles andere weg. Tausche, verkaufe oder lagere die Dinge aus. Manchmal hilft es, ein Objekt nicht mehr zu sehen, um es wieder schön zu finden.

2. Nur in Lieblinge investieren

Kaufe nur Dinge, die Du mindestens 30 Mal nutzen wirst. Kaufe lieber weniger, dafĂŒr qualitative „Investment-pieces“, die zu Lieblingsbegleitern fĂŒr die nĂ€chsten zehn Jahre werden. Fast-Fashion-Teile werden im Schnitt fĂŒnf Mal getragen.

3. Beim Spezialisten kaufen

Kaufe bei kleinen Marken oder Spezialisten auf ihrem Gebiet. Sie kennen ihr Feld, ihre Lieferanten und die Logistik. Wenn Du konsumierst, gleiche Deine Emissionen aus. Beim Fliegen ist dies ganz einfach, z.B. Lufthansa hat direkt neben dem Kaufbutton den Atmosfair-Ausgleichsbutton. Hier ein paar Beispielrechner: Öko-Tipp-Klimarechner >>>

4. Neugierig bleiben

Frag regelmĂ€ĂŸig nach, informiere Dich. Wenn wir alle bei Marken nachfragen und daraufhin entscheiden, ob wir kaufen oder nicht, können wir durch unser Verhalten etwas bewegen.

5. Kleidung tauschen

Blanche Market Black Friday Boykott
Bei Blanche gibt es ab Freitag auch 'Blanche Market' fĂŒr Überbleibsel und Secondhand-Mode
Verabrede Dich mit Freund:innen zum Kleidertausch. Es macht Spaß und alle haben etwas davon. Die Clique, dein neuer Look, die Umwelt. Alles was nicht getauscht wird, geht ins Frauenhaus oder zur Caritas.

6. Besondere Anlasslooks leihen

FĂŒr die nĂ€chste Hochzeit, die 40er-Jahre-Party, den Bonnie & Clyde Abend. Leihe Dir den Look. Bei Freund:innen oder auf Leihplattformen wie Rent the Runway oder Hurr.

7. Auf Langlebigkeit setzen

Weniger ist mehr − Das haben wir schon oft gehört. In Sachen Mode stimmt es. Von der Agrarwirtschaft ĂŒber die Ernte, Weberei, Appretur, Zutaten, NĂ€herei, Verpackung und Logistik sind es so viele Schritte die zĂ€hlen. Qualitative Mode ist langlebiger, denn die QualitĂ€t der Rohstoffe z.B. die Langstapeligkeit von Wolle und Baumwolle lĂ€sst Deine Lieblingsteile auch nach 10 Jahren noch wie neu aussehen. Mit QualitĂ€t und natĂŒrlichen Ressourcen verursachst Du auch weniger Mikroplastikabwurf beim Waschen und schaffst im Second-Hand-Business eine wertvolle Ressource. Viele billige Mischgewebe sind schon in der Entstehung SondermĂŒll, und diese trĂ€gst Du dann auf der Haut.

8. Nachhaltig pflegen

Kaufe nur Dinge, die Du reparieren kannst und pflege sie entsprechend. Wolle und Kaschmir reinigen sich nach dem Tragen von selbst − an der frischen Luft oder im Gefrierfach. Auch Pullis oder Hosen kann man aushĂ€ngen oder steamen und spart so viele Waschladungen im Jahr. Pro Maschine sind das ca. 700.000 Mikrofasern weniger im Abwasser und Du sparst Chemie, Wasser, Strom und Verpackung. Auch nicht jede WĂ€sche bei 60 Grad zu waschen, spart Energie, schont die Fasern und unsere Umwelt.

9. Öko-Mode neu auschecken

Hast Du beim Wort „Öko-Mode“ direkt die Assoziation von langweiligen, schlecht sitzenden, unsexy Looks? Das ist heute nicht mehr so. Selbst Pioniere wie Hess Natur (>>>) sind heute modisch und vielseitig unterwegs. Andere sehr geschmackvoll kuratierte kleinere Labels findet ihr bei The Wearness (>>>). Das wichtigste bei Bio-Mode ist die UnterstĂŒtzung des biologischen Anbaus. Schau den neuen Film von Arizona Muse’s Organisation Dirt an >>>. Biomode ist ein Geschenk fĂŒr unsere Umwelt und eine Wohltat fĂŒr Deine Haut!

10. Sammelbestellungen

Wenn Du die Kleidung in einer Bestellung orderst anstatt ĂŒber viele Termine verteilst, hilfst Du damit Verpackung, Fahrten und damit Emissionen einzusparen. Bestellt idealerweise gemeinsam, tut Euch in Eurem Haus oder in der Nachbarschaft zusammen!

11. Bildung verschenken

Einer der wichtigsten Faktoren fĂŒr ein nachhaltiges Leben ist Bildung und AufklĂ€rung. Ob auf coursera.org kostenlose Kurse zu belegen, bei Blinkist in ĂŒber 5.000 BĂŒcher reinzuhören, oder Maja Göpel‘s Buch „Unsere Welt neu Denken“ zu lesen, wir wĂŒnschen viel Freude dabei. Und bei Blinkist gibt es diese Woche ein Black Friday Angebot, das sich fĂŒr alle lohnt >>>
Du hast Ideen fĂŒr nachhaltigen Konsum? Schreib uns, wie Du die Welt in eine nachhaltige Richtung bewegst!
Photo Credit: Blanche, Armedangels
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner GrĂŒndung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhĂ€ngigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von MitgrĂŒnderin Kathrin Bierling gefĂŒhrt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunĂ€chst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschĂ€ftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Sabina sagt:

    Danke fĂŒr den guten Artikel! FĂŒr diejenigen, die gerne nĂ€hen (z.B. ich:)), : Upcycling macht Spaß!
  • Götz sagt:

    Ein sehr klug geschriebener Artikel, der sehr informativ ist, niemanden zu bevormunden versucht und

    die Balance wahrt zwischen Konsum und Nachhaltigkeit