Weird Girl Trend & Harajuku Style

Jetzt, da der Trend da ist, ist er so logisch. Man hätte ihn vorhersehen können. Dennoch dachte ich nicht daran, als ich neulich meinen alten Lieblingssongs von Gwen Stefani hörte: Harajuku Girls. Darin geht es um den typischen und sehr expressiven Stil von Frauen im Tokioer Stadtteil Harajuku. Der Song ist von 2004, also einer Zeit, die modisch gerade Revival feiert. Eine Zeile lautet: 'You mix and match it, girls'.
Damals hatten wir − wie heute − mit vielen Bändern, die überall herunterhingen und teilweise irgendwie hätten verknotet werden sollen, zu kämpfen. Auch 'Bucket hats' sollten kombiniert werden und unförmige Cargo-Hosen, die auf den Hüftknochen saßen. Dazu Babydoll-Tops oder Transparenz oben rum. Und Glockenröcke. Es war mühsam, sich gut zu kleiden; einen Stil für sich zu finden. So muss es heute TikTok-Usern gehen, die in noch kürzeren Abständen noch mehr core-Trends verfolgen. Wir berichten hier ja nur von manchen (blokecore >>>, dadcore >>>, normcore >>>). Es gibt darüberhinaus noch cottagecore, fetishscore, softcore, angelcore, clowncore und eben...
Wenn der Kleiderschrank voll ist mit #fetishcore, #normcore, #angelcore und #blokecore, dann mach #weirdcore draus.

#weirdcore

Bei Weirdcore, dem neuesten Trend, der Hardcore durchgezogen werden will, geht es darum, möglichst seltsam anmutende Kombinationen zu kreieren. Das ist kein Trend vom Laufsteg, auch wenn das Gucci zufällig schon länger so zelebriert.
Gucci Weirdcore Modepilot
Weirdcore: Wenn sich Fetishcore mit Applecore (alles mit dominanten Früchtchen) und einer lieben Angelcore-Frisur paart. Hier bei Gucci für Frühjahr/Sommer 2023 (Cruise Collection)
Der Trend stammt aus dem Internet und ist ursprünglich gar nicht modisch gemeint. Er bezog sich zunächst einmal auf Musik und Videos, die surreal anmuten. In diesem Zusammenhang wird auch 'Dreamcore' gerne genannt. Wie in einem Traum scheint alles möglich zu sein: ungewöhnliche Farben und Formen, die ineinander verschwimmen, ein bisschen Dalí, ein bisschen Alice im Wunderland.

Weirdcore Outfits: mix & match

In Weirdcore-Tutorials wird dazu geraten, alles Mögliche miteinander zu kombinieren (Streifen, Karos und Blumenmuster) und übereinander zu tragen, also ein Kleid über einem Rock über einem Badeanzug und keine Accessoires sind dabei zu verrückt (Spiegelei-Ohrringe, Hasenohren). So absurd es klingt, es ist auch nachvollziehbar. Denn da hat man den Schrank voll lauter Sachen, die nicht zueinander passen (weil man kurzfristig auf jeden Trend gesprungen ist), kommt wildes Mixen in Frage (Passt dazu: TikTok has a fast fashion problem >>>).
In der Mitteldeutschen Zeitung stand damals, 2004: „Modebewusste Frauen sollten im kommenden Sommer über DJ-Fähigkeiten verfügen: Wie in der Musik ist auch in der Mode ein wildes Mischen angesagt.“ Dabei entstehe aus Altem etwas Neues, also wie beim Sampling. Und wie die von Gwen Stefani angehimmelten Harajuku Girls ('I am your biggest fan') mögen auch die Weirdcore Girls kurze, Spitzen-versäumte Röcke, Kniesocken und niedliche Frisuren. Aber im Grunde ist alles erlaubt, so lange es viele Stile vereint.
Weirdcore Modepilot Andreas Kronthaler for Vivienne Westwood
Street Style bei der Modenschau von Andreas Kronthaler für Vivienne Westwood am 5. März in Paris
Mit der richtigen Attitüde kann man vermutlich alles miteinander kombinieren und tragen, oder nicht? Rein modisch gesehen haben 'Weirdcore girls' Eier aus Stahl. So viel Selbstbewusstsein und Mut findet man sogar unter Hardcore-Modefans nur selten. Aber auch die Stylingfinesse mancher ist dabei nicht zu unterschätzen. Denn Attitüde ist vielleicht das eine, aber etwas so wild und dennoch irgendwie passend aussehen zu lassen, ist auch eine Kunst des Zusammenfügen.
Interessant ist dabei auch, dass die meisten Weirdcore-Outfits gar nicht in der Wirklichkeit entstehen, sondern virtuell für das Computerspiel Roblox >>>. Das wiederum gibt der Phantasie vor dem echten Kleiderschrank noch mal extra Futter.
Weirdcore girls Trend Modepilot
Collage aus Street Styles aus Paris und TikTok-Screenshots zum #Weirdcore
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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