Welches Logo trägst Du?

Logomania in der Mode. Das Logo ist heute flächendeckender in der Mode vertreten als zu seiner letzten Hochphase in den 1990er Jahren. Damals war es der Diesel-Irokesenkopf, den wir auf T-Shirts, und der Jet Set-Schriftzug, den wir auf Oversize-Pullis zur Legging trugen. Logos allover gab es vor allem im Hip Hop (legendär die LV-, Gucci- und MCM-Fälschungen von Dapper Dan damals >>>).
Modepilot Adut Akech Pretty Sure Max Mara
Model Adut Akech in Mailand nach der Max Mara Show für Frühjahr/Sommer 2019

Logos allover

Die großflächige Logo-Streuung fand ihren Anfang vor über 100 Jahren auf Übersee-Gepäckstücken. Die plakative Logo-Sprache wurde entwickelt, um die Koffer als Originalware zu kennzeichnen und von Nachahmungen abzuheben. Es war George Vuitton, Louis Vuittons Sohn, der 1896 erstmals das mit LV-Initialien und stilisierten Blüten übersäte Segeltuch einführte (bis heute das Hauptmaterial).
Allover-Logoprints stehen seither für Luxus und Tradition. Sie stammen meist von altehrwürdigen Handwerksbetrieben und sind Ton-in-Ton gehalten – das Muster gilt als zeitlos für Taschen. Wir kennen sie z.B. auch von Goyard. Später kamen sie auch von Christian Dior, Céline, Fendi und Gucci. In den 1970ern auch von MCM aus München.
Modepilot Christian Dior Logomania Sommer 2019
Aus der Sommerkollektion 2019 von Christian Dior

Logomania und Populismus

Laut und grell, wie in den 1990ern und aktuell der Fall, werden Logos erst in unsicheren Zeiten. Dann, wenn die politische Stimmung zum Populismus neigt. Nicht umsonst, entlehnte das 1994 gegründete Skate- und Modelabel Supreme sein rot-weißes Logo der Propagandakunst von Barbara Kruger. Übrigens: Auch in den 1990ern konnte eine Asylpolitik-betreibende Partei erfolgreich in Landtage einziehen. Es war die rechtsextreme DVU (Deutsche Volksunion), die später, 2011, mit der NPD fusionierte.
Populismus entsteht, wenn Politik am Volk vorbei gemacht wird, heißt es. Entsteht Logo-Mode, wenn Mode am Volk vorbei gemacht wird? Ich denke, in unsicheren Zeiten tendiert man dazu, sich zu gruppieren und Farbe zu bekennen. Das gelbe DHL-Shirt von Vetements wäre vor zweieinhalb Jahren jedenfalls weniger erfolgreich gewesen. Wenn sich Modeliebhaber nicht nach Veränderung gesehnt hätten.
Modepilot Off-White Nike Logo Mania Sommer 2019
Model Kaia Gerber in der Off-White Fashion Show für Frühjahr/Sommer 2019 – eine Kooperation von Virgil Abloh und Nike

Die Mode in Frage zu stellen, ist die Mode

Damals hatte der Modeverdruss seinen Höhepunkt erreicht. In den Modehäusern war man vor allem mit der künstlichen Beatmung des It-bag-Hypes beschäftigt. Anstatt die voll gefressene Cash Cow aber vom dünnen Modeeis zu holen, trieben Konzernbosse ihre Chefdesigner in den Taschenwahnsinn. Sie ließen von der Marketingabteilung neue Phantasiepreise entwickeln, um die Welle maximal auszureiten. Damit erreichten sie noch ein paar superreiche Konsumsüchtige, denen es egal ist. Aber Opinion leader wendeten sich ab.
Diese fühlten sich von Demna Gvasalia ins Herz getroffen. Er rekonstruierte eine Jeans aufwendiger und liebevoller als seine Kollegen es jemals zuvor taten. Das saß. Was war Mode schon noch wert, wenn ein Label namens 'Vetements' (übersetzt: Bekleidung) die Schnittführung übernahm. Begleitet von einem DHL-Baumwoll-Shirt, das zwei Jahre später schon das Doppelte kosten sollte, war die modisch-politische Aussage perfekt – und dem einen oder anderen auch bis zu 540 Euro wert.
Modepilot Balenciaga Logomania Sommer 2019
Aus der Sommerkollektion 2019 von Demna Gvasalia für Balenciaga
Das Revolutionärste aber ist das Logo-Bewusstsein bei Zara: Logo-Sweatshirts mit der Angabe der Saison wie man es bislang nur von Designerhäusern kannte, Shirts ab 12,95 Euro, Plisseeröcke mit Z-Muster, Taschenriemen mit ZR-Logo. Die gesamte Kollektion ist seit einem Jahr von Zara-Logos durchzogen. Es scheint als haben Luxushäuser ihr Ansehen verspielt oder wie meine Freundin Julia sagt:
„Zara macht mich glücklich.”
 

Mehr Augenzwinkern geht nicht

Ein paar Designer erfanden oder verwenden die neue Leichtigkeit des Logos für ihre Arbeitgeber. So ziehen Demna Gvasalia für Balenciaga und Alessandro Michele für Gucci die heiligen Marken-Schriftzüge durch den Typografien-Kakao. Selbst vor 'Comic Sans' wird nicht zurückgeschreckt. Michele verpflichtete, das ist die 'Cherry on top', Dapper Dan, den verfolgten Kopisten. Gemeinsam entwickelten sie jetzt eine originalgetreue Gucci-Kollektion für Herbst/Winter 2018 (gibt es schon zu kaufen >>>):
Dapper Dan Gucci Modepilot
Typisches Dapper Dan-Outfit aus den Neunzigerjahren – heute ein offizieller Gucci-Look
Photo Credit: Zara, Catwalkpictures, Gucci
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • katha sagt:

    Also diese Logomania ist und wird nicht meins. Auf einem Pulli zum Sport noch ok, aber ansonsten erfreue ich mich weiter lieber an schönen Schnitten, Prints und Stoffen und einem Gefühl von: Nicht jeder muss auf 5m Entfernung wissen, was ich trage.