Boreberry

Störung im Paradies. Ich liege am Pool in Südfrankreich – weit weg von den Kollegen, die gerade in London von Schau zu Schau rennen. Auch meine Freundin Julia ist zum ersten Mal nicht da. Sie hörte gerade beim Magazin Glamour als stellvertretende Chefredakteurin auf und ich weiß sie ebenfalls in der Sonne und am Wasser liegend – wenn auch leider woanders, auf einer griechischen Insel. Herrlich! Wer braucht da jetzt die um sich selbst kreisende Modewelt?
Doch da kommen eine Menge aufgeregter WhatsApp-Nachrichten auf mein stumm geschaltetes Handydisplay. Julia hat sich den Burberry Livestream angesehen. Sie konnte es nicht lassen (warum eigentlich?) und musste sich sehr aufregen. Hier macht sie sich nun Luft, und das ist auch sehr herrlich:
Julia Werner: „Ich war fest entschlossen, etwas Abstand von der Modewelt zu bekommen. Mit dem Rauchen habe ich vor zwei Wochen aufgehört, aber ich konnte nicht anders, als gestern um 17 Uhr an einem wunderschönen Strand auf mein Handy zu starren, um mir die Debüt-Show von Burberry anzusehen.”

Burberry Sommer 2019

 

Es ist das Debüt des neuen Kreativchefs

„Mit viel Brimborium wurde ja schon seit einigen Wochen Stimmung gemacht für den neuen Designer an der Spitze des des britischen Modegiganten: Riccardo Tisci, Ex-Wunderkind bei Givenchy. Dort modernisierte er das Nischenlabel und sorgte für einen riesiges Umsatzplus. Der Italiener ist ohne Zweifel ein großartiger Modemacher. Allerdings war Givenchy eher ein kleines, feines Lady-Label. Im Gegensatz zu Burberry, einem Luxuslabel für die Massen, das mit Bergen von Trenchcoats, Poloshirts und Schals Milliardenumsätze machen muss, um die Maschine am Laufen zu halten. Burberry ist, politisch ausgedrückt: too big to fail, ein Engagement kann also für einen Designer entweder im Kultstatus oder im persönlichen Waterloo enden.”
„Ab diesem Zeitpunkt war es eigentlich völlig egal, was der Designer bei seiner ersten Runway-Show präsentieren würde.”

Aufbruch in die Zukunft?

„Zum Beispiel launchte er letzte Woche per Instagram den ersten „Drop” unter eigener Ägide. Es war nur für 24 Stunden für nur 400 Euro zu bekommen: ein schwarzes T-Shirt mit dem neuen Burberry Initialen-Logo TB (Gründer Thomas Burberry). Angeblich war das T-Shirt sofort ausverkauft. Ab diesem Zeitpunkt war es eigentlich völlig egal, was der Designer bei seiner ersten Runway-Show präsentieren würde. Die Leute sind heute einfach viel zu leicht zu beeindrucken. Selbst Rihanna hatte das neue Logo auf einem Sweatshirt getragen! Geil.
 
Der Vorteil, das Spektakel von einer griechischen Insel aus zu beobachten, liegt daran, dass man keine Pressetexte in die Hand gedrückt bekommt und auch nicht von einer PR-Dame in Showrooms durch die Kollektion geführt wird. Man muss sich also auf das verlassen, was man sieht, und kann es sich nicht mit irgendwelchen hanebüchenen Erklärungen schön reden. Auch fällt die korrumpierende Wirkung einer pompös inszenierten Fashion Show ganz einfach weg. Ich kann also über das, was im Pressetext steht, nur wild spekulieren – Folgendes lege ich Tisci jetzt einfach mal in den Mund: 'Der erste Teil der Kollektion sollte den Respekt vor dem reichen Erbe der Traditionsmarke ausdrücken. Und der zweite ein Aufbruch in die Zukunft der Marke symbolisieren'.

Und was haben wir davon?

Ganz klar: Burberry ist jetzt das Ferragamo von London (ganz hübsch), das sich aber nicht zu blöd ist, vorsichtshalber noch ein paar Off-White/Vetements-inspirierte Looks, die sehr wahrscheinlich auf einer Datenanalyse der Vorlieben von Millenials basieren, hinterherzuschieben.
Was ist neu? Nun ja, ein paar originelle Ideen waren schon drin: zum Beispiel runde Cut-outs an den Ärmeln von Männer-T-Shirts, oder den nach vorn hängende Trompe-l'oeil-Hosenbund, hinter dem ein zweiter Hosenbund die Taille in Form bringt. Nur sah das im Original (von Jean Paul Gaultier und Martin Margiela) irgendwie lässiger aus und nicht wie eine Känguru-Vorrichtung zum Transport des Nachwuchses. Womit wir mal wieder beim grundsätzlichen Problem der Mode wären: Statt in die Zukunft zu schauen (Wie wäre es mit luxuriöser Circle Economy?), wird künstliche Aufregung kreiert, unter deren Deckmantel dann doch nur wieder nur ein paar ganz normale Trenchcoats verkauft werden.

Wir sind ja schon froh, wenn...

Ist das jetzt also der aufregende Neuanfang oder werden die neuen Kollektionsteile Ladenhüter? Wenn man auf einer griechischen Insel im Sonnenstuhl abhängt, dann liest man bei Instagram sogar die Kommentare der Livestream-Zuschauer. Einer lautete: 'I love fashion so much I want to cry' Ja, zum Heulen ist das Ganze natürlich irgendwie schon, aber für einen Berg teuer verkaufter T-Shirts wird der Hype schon reichen. Wir sind ja schon froh, wenn bei Burberry die Klamottenhaufen nicht mehr verbrannt werden.” (New York Times: Burberry to Stop Burning Clothing and Other Goods It Can't Sell >>>)
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Hannes sagt:

    Danke für den Bericht. Vielleicht sollte man sich bei Burberry auch weniger auf das Marketing und mehr auf die Qualität konzentrieren. Ich hatte mir aus der Regenbogenkollektion einen Kaschmirschal gekauft und war von dem dünnen Lappen wirklich enttäuscht. Kein Vergleich zu früherer Qualität.