Google und die Fashion Week

Wer Marc Jacobs heißt, aber von Beruf Arzt und nicht Modedesigner ist, der hat diese Tage das Nachsehen in den Google-Suchergebnissen. Es ist Fashion Week und Google ändert für diesen Zeitraum die Suchergebnisse zu 50 Modemarken, wie die New York Times berichtet. Zu den 50 Modemarken gehören u.a. Burberry, Christopher Kane, Hermès, Marc Jacobs, Prada, Stella McCartney und Tom Ford. Sie müssen nichts dafür bezahlen*, aber es ist ein bemerkenswerter Schritt.

Interessant bis alarmierend

Aus der Sicht einer Moderedakteurin mag das eine willkommene Änderung sein: Die US Harper's Bazaar schreibt, die Suchmaschine würde es uns nun erleichtern, Modeschauen, Designer und Shopping-Möglichkeiten besser zu verfolgen. Aber aus der Sicht einer (Mode-)Journalistin, einer Modekritikerin oder eines Patienten auf der Suche nach der Praxenadresse von Dr. Jacobs ist die Entwicklung interessant bis alarmierend. Denn es sind nun die Markenseiten, die mit Vorrang platziert werden: Onlineshop, Twitter-, Instagram- und Facebook-Account rücken nach vorne. Ich vermute, dass ein Verriss der New York Times zu, sagen wir mal, einer Marc Jacobs Kollektion eher nicht auf Seite 1 der Google-Suchergebnisse auftauchen würde.
Google veranstalte etwas Ähnliches im politischen Bereich und zwar zur Präsidentschaftsvorwahlen-Debatte der Republikaner im Januar dieses Jahres. Diese lief auf Fox News. Gab man aber den Suchbegriff "Fox News debate" bei Google ein, so erschienen zunächst die Promotion-Videos der Kandidaten, in denen sie Fragen beantworteten, die bei Fox News gar nicht gestellt wurden (New York Times >>>).
Es dreht sich einem der Magen um, wenn man bedenkt, welche Auswirkungen dieses vermeintlich harmlos klingende Thema haben kann (Die New York Times wählte die Headline: "This Fashion Week, Google Gets a New Look"; und Fortune.com schreibt "Google Search Becomes a Litte More Fashion Week-Friendly"). Nein, Google hat nicht die Aufgabe einer Mode PR-Agentur und, nein, es geht auch nicht um einen "New Look", eher um die Glaubwürdigkeit der größten Suchmaschine der Welt!
Die New York Times sieht das freilich genauso und schreibt später: "Theoretisch erlaubt es den Machern, ihre Vision direkter zu kommunizieren, anstatt sich auf die Interpretation Dritter zu verlassen, wie beispielsweise jenen von Kritikern..."
Google Produktmanager Rami Banna wird wie folgt zitiert: "Es ergänzt die existierenden Suchergebnisse." Das veränderte Suchergebnis werde nur während der Laufzeit der Fashion Week ausgespielt und nehme keinen Einfluss auf den Algorithmus wie er zuvor und danach greife. Doch es bleibt ein Eingriff auf die Art, wie wir uns informieren und zwar in der relevantesten Zeit, der Fashion Weeks. Welches Ergebnis für einen Suchbegriff relevant ist und welcher nicht, das entscheidet Google und seine Markenpartner für uns.
Wird Google so etwas wie ein Online-Kaufhaus, wo man sich seine Regalflächen im sichtbaren Bereich (ohne Kennzeichnung) mieten kann? Bislang werden Google-Anzeigen mit einen grünen Fähnchen, auf dem "Anzeige" steht, kenntlich gemacht. Jetzt werden Sonderplatzierungen ohne Kennzeichnung vorgenommen, weil unentgeltlich* (wie lange noch?). Wie sieht es in Zukunft aus? Ich stelle mir gerade vor, wie ich die Abteilung "Modekritik" einer Bibliothek betrete: auf dem ersten Tisch liegen die Coffee Table Books von Tom Ford, Prada und Burberry – alle in Eigenregie herausgebracht. Und das ist – vergleichsweise – noch eine harmlose Vorstellung.
*Die Marken müssen für diese Fashion Week "Initiative" zwar nichts bezahlen, aber sie sind zum Teil bereits zahlende Google-Kunden: Gebe ich den Begriff "Burberry" bei Google ein, so erscheint als Erstes eine Burberry-Anzeige. Gleiches mit Stella McCartney und Prada.
Stella McCartney Google Anzeige Modepilot
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Philippa sagt:

    Wer als Arzt Marc Jacobs heißt, hat sich bestimmt schon damit abgefunden, nicht an vorderster Stelle bei den Ergebnissen zu erscheinen. Umgekehrt, wer einen Arzt namens Marc Jacobs über Google sucht und keine weiteren Suchkriterien angibt, sollte dringend einen Internet-Einführungskurs an der Volkshochschule belegen.
    Das soll nicht bedeuten, dass ich die Manipulationen von Google gut heiße, Wenn jedoch übermäßig verfälscht wird, wendet sich sicher das Blatt und ein anderer, seriöserer Betreiber übernimmt die Führungsrolle im Internet.