Eine zweite Chance für Strenesse

Die Modemarke aus dem bayrischen Nördlingen wurde unter der Familien-Regie von Gerd und Gabriele Strehle (Strehle + "Jeunesse - Jugend" = Strenesse) zu einem der erfolgreichsten deutschen Modeunternehmen. Die feine Businessmode sorgte für gute Umsätze ( 70 Millionen, Stand 2010), sie kleideten exklusiv die deutsche National-Elf ein und Jogi jubelte im blauen Glückspulli. Vom alten Glanz ist wenig übrig.

Typisch Strenesse

Die Sommerkollektion 2008 – gezeigt zur Berlin Fashion Week
 
2012 verließ Maßschneiderin Gabriele Strehle das Unternehmen. Seit April 2014 befand sich Strenesse im Insolvenzverfahren in Eigenregie (wir berichteten), nun wurde ein Käufer gefunden: Die Maeg Holding mit Sitz in Amsterdam. Die gute Nachricht vorweg: Alle 240 Mitarbeiter sollen ihre Jobs behalten. Nun der spannende Teil der Meldung: Strenesse wurde von der „neu“ gegründeten MAEG Holding gekauft, die aus einer Gruppe von privaten Investoren besteht und mit dem Ziel gegründet wurde, mehrere Premium- und Luxusmarken zu kaufen: Zwei weitere Übernahmen seien bereits geplant. In den Presseberichten wird die MAEG-Holding als „Family Office“ bezeichnet, eine Organisationsform für die Verwaltung von Vermögen. Das Praktische daran: Als "Family Office" muss man nicht viel über die Gesellschafter preisgeben. Wer wirklich hinter der Holding steckt, darüber schweigt sich auch MAEG-Geschäftsführer Grzegorz Nowaczyk aus. Der Spiegel verkündete heute allerdings: "Das Geheimnis um die anonymen Käufer der Nördlinger Modemarke Strenesse ist gelüftet." Nach Spiegel-Informationen handele es sich um die vermögende, polnische Investorenfamilie Kucharczyk. Geschäftsfüher Nowaczyk, Familie Kucharczyk? Klingt wie ein Verwechslungsspiel, aber diese Endung ist in Polen einfach sehr verbreitet.
Gerd Strehle, bis zuletzt Aufsichtsratsvorsitzender der Strenesse AG, wird künftig nicht mehr im Unternehmen mitwirken. Überraschend ist das nicht: Eine emotionale Beziehung zur Marke wäre sicher hinderlich bei der Neuausrichtung. Laut Handelsblatt verhinderte die Familie Strehle bereits vergangenes Jahr in letzter Minute einen Verkauf an eine Investorengruppe.
Strenesse-Geschäftsführer wird Rainer Unkel, der bisher CEO bei Basler, davor bei Ludwig Beck in München und Breuninger in Stuttgart tätig war. Sein Ziel: Strenesse zurück zu den Wurzeln führen. Also zu einer Marke zu machen, "die Trends setzt und den Zeitgeist repräsentiert", wie er sagt. Vielleicht trübt mich die Erinnerung, aber ich sah Strenesse eher als Marke für hochwertige Businessmode und weniger als hippe Trendsetter, aber was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden. Unkel kündigt außerdem an, den Vertrieb zu modernisieren und vor allem weiter zu digitalisieren sowie die eingestellte Zweitmarke „Strenesse Blue“ wiederzubeleben, um mit dieser, günstigeren Linie ein jüngeres Zielpublikum zu erreichen.
SASKIA_STRENESSE
Topmodel Saskia de Brauw in der Sommerkampagne 2014. Der erste Wiederbelebungsversuch war vielversprechend.

Hat Strenesse eine Zukunft?

Ein ganz klares Jein. Um das zu beantworten müsste man wissen, wer genau hinter der MAEGHolding steckt. Wenn es ein paar Strategen und Zahlen-Freaks sind, die sich denken, man könne mit Mode so richtig Asche machen, sehe ich die Chancen in dem extrem gesättigten Modemarkt gegen Null gehen. Die Übernahme durch fachfremde Investoren hat schon bei Rena Lange, dem anderen deutschen Traditionsunternehmen, dass den Bach runterging, nicht funktioniert. Wir berichteten und hoffen gleichermaßen, dass es Strenesse nicht so ergehen wird. Nun sehe ich bei Strenesse aber Potenzial: Die Marke ist als wertiges Traditionsunternehmen in den Köpfen verankert, viele schwärmen noch heute von den tollen Blazern, die sie kauften, als Gabriele Strehle noch Chefdesignerin war. Da könnte man ansetzen und zum Beispiel eine "Iconic Pieces"-Kollektion lancieren. Bestimmt haben die neuen Eigentümer ihre ganz eigenen Ideen. Leicht wird es in jedem Fall aber nicht.
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Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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