Ist die Abendrobe over?

Versace Winter 2015 Modepilot Hanne
Autorin und Journalistin Julia Werner war für Modepilot auf der Mailänder Modewoche unterwegs und stellt fest, dass lange Abendroben nicht nur ihrem Gefühl nach unmodern geworden sind – die Designer zeigen Alternativen auf.

Agnona und Versace oder: Ist die Abendrobe over?

Es ist natürlich etwas gewagt, Agnona und Versace in einen Topf zu werfen. Aber es gibt dafür einen guten Grund. Denn, wenn Versace, der unerreichte Spezialist für die glamouröse Abend-Garderobe, plötzlich keine einzige bodenlange Robe mehr auf den Catwalk schickt, dann muss das ihr Ende sein. Zumindest für den Moment. Dieser Gedanke hat mich schon während der Oscar-Nachtschicht vor dem Fernseher beschlichen. Kein Kleid riss mich da so richtig aus den Latschen, und spätestens beim Anblick der natürlich wunderschönen Jennifer Lopez in ihrem ausladenden Tüllmonster war ich mir sicher: in Nichts kann man zur Zeit mehr aus der Zeit gefallen aussehen als in einer dramatischen Robe. Es wirkt so kostümiert, so unmodern. Das scheint auch Stefano Pilati so zu sehen, der in seiner Kollektion für Agnona gleich ganz auf das Abendkleid verzichtet und uns stattdessen kunstvoll mit Kristallen bestickte Dresscoats vorschlägt, also ärmellose Westen - ganz lässig über einer Hose getragen.
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 Das klassische Abendkleid ist passé

Umfrage in der Front Row: Tragen Sie noch Robe? Wieso gibt es plötzlich keine lauten Ahs und Ohs mehr, wenn ein Superstar eine Hammerrobe trägt? Eine sehr schicke Chefredakteurin sagt: „Stimmt - bei der letzten großen Abendveranstaltung habe ich mich in diesem langen Kleid total unmodern gefühlt - die klassische lange Robe funktioniert nur noch auf dem Wiener Opernball!“ Eben! Im Rest der Welt lösen sich altmodische Dresscodes gerade so schnell auf wie Aspirin in Sprudelwasser oder überhaupt alle modischen Stildiktate. Aber zurück zu Versace: Aufs Kleid verzichtet Donatella Versace natürlich nicht. Der neue Look für den großen Abend ist oben gewohnt asymmetrisch und supersexy um den Körper geschneidert. Aber unten endet er auf Knöchellänge. Das sieht mit ziemlich hohen Plateau-Sandalen ziemlich gut und genau richtig aus. Den gleichen Effekt erzielen schwingende Hosen in Knöchellänge (und Tops, die nur aus bunten Strass-Versace-Schriftzügen zu bestehen scheinen, tun natürlich ihr Übriges). Wer will denn jetzt bitte noch Jennifer Lawrence an Seidenbergen scheitern sehen? Das Ende der dramatischen Robe, es ist die Befreiung des modernen Stars. Und eine Befreiung für uns alle, denn wie es aussieht, wird es in Zukunft auf den roten Teppichen dieser Welt viel weniger langweilig werden.
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Fotos: Agnona, Catwalkpictures
Photo Credit:
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Isabelle Braun sagt:

    Noch ein Anzeichen: Der Einzug der Hosen in der Haute Couture. Wir hatten dazu schon eine Diskussion beim "Jumpsuit": https://www.modepilot.de/2014/10/31/5-kleidungsstucke-die-man-nicht-mehr-kaufen-sollte/
    Definitv das bessere Abendkleid. Grazie Julia!
  • Chael sagt:

    I think this trend complements the Athleisure trend. Wearability is key.
  • Frank sagt:

    Die Outfits sehen wunderschöne aus!

    In diesen Sinne: Ich bin gegen Mode, die vergänglich ist. Ich kann nicht akzeptieren, dass man Kleider wegwirft, nur weil Frühling ist.


    LG Frooonk