Neues vom Beauty Pro: Glykation

Zucker macht schneller alt

Sie haben das Gefühl, Ihre Haut altert schneller als sie sollte. Spannkraft und Elastizität gerade in den kritischen Bereichen von Wangen und Kinnkontur lassen deutlich sichtbar nach. Das ist ein typischer Fall von Glykation oder Glykierung wie die Wissenschaftler die „Verzuckerung" von Gewebebestandteilen nennen. In der Haut sind vor allem Kollagen und Elastin davon betroffen, was den Alterungsprozess beschleunigt. Leider ist dagegen noch kein wirksames (Pflege-)Kraut gewachsen. Versteifte Fasern lassen sich nicht mehr „erweichen“, aber Prävention hilft, Schlimmeres zu verhindern.
Modepilot Agatha Ruiz de la Prada
Agatha Ruiz de la Prada, Herbst/Winter 2017
Sie müssen jetzt nicht unbedingt einen „sweet tooth“ haben, eine Naschkatze sein, die sich hauptsächlich von Süßem ernährt. Chemisch gesehen reagiert der Körper mit Proteinen oder Lipiden und bildet Glykations-Endprodukte, sogenannte AGEs (Advanced Glycation Endproducts).Und die nehmen wir zwar insbesondere über Traubenzucker (Glukose) und Fruchtzucker (Fruktose) auf, aber ebenso wenn wir gebratene, gegrillte, geröstete oder gebackene Nahrung zu uns nehmen. Die ungesunden AGEs sind hauptsächlich in der braunen Kruste enthalten, die beim Erhitzen der Lebensmittel entsteht. Die knusprige Bratenhaut gehört ebenso dazu wie die braune Brotkruste. Dass auch bei angebrannter Milch eine Reaktion von Protein- und Fettmolekülen mit Zuckermolekülen, also eine Glykierung stattfindet, bewies 1912 der französische Biochemiker Louis Maillard.

Überzuckerung schädigt nicht nur die Haut

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Kurzfristiges Vergnügen: Süßes. Hier ein Kleid von Agatha Ruiz de la Prada, Herbst/Winter 2017
Der gleiche Prozess läuft in unserem Organismus statt, wenn übermäßig viel Zucker in den Blutkreislauf gelangt. Nur wesentlich langsamer als im überhitzten Milchtopf, da unsere Körpertemperatur niedriger ist. Jedoch steigt bei zu viel Süßem der Blutzucker rapide an, da der Überschuss an Zucker nicht über die Nieren ausgeschieden werden kann. Die aus der biochemischen Reaktion entstandenen AGEs schädigen nicht nur die Haut von innen. Die „Überzuckerung“ ist Auslöser für verschiedene Krankheiten. Beispielsweise forciert sie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weil sie die Arterien verstopft. Sie ist bei Diabetes, Osteoporose, Arthritis und chronischen Nierenerkrankungen mit im Spiel. Auch bei grauem Star und im Gehirn von Alzheimer-Patienten konnten vermehrt AGE-Konzentrationen nachgewiesen werden.
In der Haut lagern sich die Zucker-Protein-Verbindungen an den kollagenen und elastinen Fasern an und lassen diese Strukturproteine erstarren. Sie verlieren ihre Fähigkeit, gesunde, neue Zellen zu bilden. Feine Linien und Falten bleiben sichtbar, da sie nicht mehr auf natürliche Weise ausgeglichen werden, weil die Haut auch weniger Feuchtigkeit speichert. Sie verliert an Spannkraft, Elastizität, sieht fahler und älter aus. Auch die gefürchtete Erschlaffung („Sagging“) setzt wesentlich früher ein, als es biologisch vorgesehen war.

Auf den glykämischen Index achten

Laut Empfehlung der WHO - Weltgesundheitsorganisation soll bei einem Erwachsenen die tägliche Zuckermenge maximal fünf Prozent der Gesamt-Kalorienmenge ausmachen, die man konsumiert. Das entspricht etwa zwei Äpfeln, oder einem Apfel plus 100 Gramm Beeren, 200 Gramm Vollkornreis und ähnliches. Günstig sind Lebensmittel, die den Blutdruck senken. Dazu gehören grünes Blattgemüse, Zwiebeln, Hafer, Ingwer, Grapefruit, Blaubeeren und Nüsse, aber auch Gewürze wie Knoblauch, Chili und Zimt.
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Donuts-Kleid von Agatha Ruiz de la Prada, Herbst/Winter 2017
Nach Möglichkeit verzichten sollte man auf einfache Kohlenhydrate aus Einfach- und Zweifachzuckern. Dazu zählen nicht nur der weiße, raffinierte Haushaltszucker, Trauben-, Frucht-, Malz- und Milchzucker, sondern auch versteckte Zucker wie sie in Fertiggerichten, Limonaden und Alkohol enthalten sind. Vorsicht auch bei Kohlenhydraten, die den Blutzucker in die Höhe schnellen lassen, wie zum Beispiel Weißbrot und Bananen. Zu kompliziert? Dann kann der glykämische Index ein guter Richtwert sein für blutdrucksenkende und blutdrucktreibende Kohlenhydrate.
„Lebensmittel mit einem niedrigen Indexwert verarbeitet der Körper einfacher. Das Risiko für eine Verzuckerung ist hier geringer“, sagt Dr. Christian Merkel, Dermatologe am Haut- und Laser-Zentrum an der Oper in München. „Ebenso essenziell sind Antioxidantien. Sie schützen vor Entzündungen, die Falten begünstigen.“ Reich an Antioxidantien, die die Lebensdauer von Hautzellen verlängern und ihre Glykation hemmen, sind zum Beispiel Lebensmittel wie grüner Tee und Vitamin-C-Haltiges wie Granatäpfel, Zitrusfrüchte und Paprika.

Die Uhr zurückdrehen?

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Süßes lieber anziehen als essen, Kleid von Agatha Ruiz de la Prada, Herbst/Winter 2017
Die Uhr lässt sich leider (noch) nicht zurückdrehen. Denn bisher gibt es kein verlässliches Mittel, das die Glykation rückgängig macht. Forscher arbeiten seit Jahren mit Hochdruck daran. BASF will mit dem Wirkstoff Collrepair DG die Lösung gefunden haben. Es ist eine Verbindung aus Rotwurzelsalbei und Niacin (Vitamin B3). In internen Studien wurde bewiesen, dass zumindest die Gelbfärbung der Haut, die mit der AGE-Ansammlung verknüpft ist, unter Gabe von 3% Collrepair DG über vier Monate zurückgegangen ist.
Auch Ameliox von Mibelle Biochemistry soll die Glykosierungsreaktion in der Haut verzögern und dem oxidativen Alterungsprozess vorbeugen. Es ist eine liposomale Wirkstoff-Kombination mit Silymarin (Milchdistelextrakt) und Tocopherol, zwei öllösliche Antioxidantien. Andere Marken wie Isdin setzen L-Carnosine ein, um die Kollagenfasern vor einer weiteren Versteifung zu schützen. L-Carnosin setzt sich aus den Aminosäuren Alanin und Histidin zusammen. Als Immun-Stimulanz unterstützt es die Zellerneuerung und besitzt Anti-Glykationseigenschaften. Aber bislang gibt es eben kein Mittel und auch für die bestehenden Wirkstoffe keinen Beweis, dass die „Kruste“ um die Fasern aufgelöst werden kann.

Altbewährtes

Auf das verjüngende Wundermittel müssen wir warten. Auch bei der Augencreme von SkinCeuticals sind es wieder Antioxidantien, die lediglich vorbeugend wirken. In diesem Fall: Blaubeeren. Um aktiv gegen die sogenannte Glykation vorzugehen, greift auch die Münchener Fachärztin für Dermatologe Dr. Sylvia Kunze auf Bewährtes zurück: „Auf moderaten Konsum von frischem Obst und eine gemüsebasierte, selbst zubereitete Ernährung achten, die auf pflanzliche Proteine setzt. Die Zubereitung der Nahrung ist ebenfalls von Bedeutung.“ Als Pflege empfiehlt sie ab 35 Jahren ein Anti-Aging-Produkt, das dem Hautzustand entspricht. Dr. Kunze: „Hier kommen Vitamin-A-Produkte zum Einsatz, oder bei sehr spröder Haut Cremes mit Carnosin, die auch gezielt der Glykation der Hautzellen entgegen wirken.“
Mehr von unserer Autorin Margit Rüdiger finden Sie hier unter ihren bisherigen Kolumnen >>> und mehr über Beauty und Reisen auch auf ihrem Blog Culture & Cream (>>>). Fragen, Wünsche, Feedback? Sie erreichen unsere Kolumnistin unter beautypro[@]modepilot.de
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Dr. Sylvia Kunze sagt:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Sie haben ein Interview mit mir gepostet. Können wir das mit meiner Praxiswebseite und meinem Internetprofil verknüpfen?! Darüber würde ich mich freuen!

    Mit freundlichen Grüßen Dr. Sylvia Kunze


  • Dr. Sylvia Kunz sagt:

    Der Artikel ist super geworden 🙌🏻