Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

Pflegen Sie Ihre Telomere?

„Telemore, was ist das denn?“ fragte mich meine Mode-Kollegin Kathrin, als ich ihr von dem Thema erzählt. Und so geht es den meisten Normal-Menschen. Kaum einer weiß etwas über Telomere oder hat das Wort überhaupt schon mal gehört. Dabei sind sie eine Art „Altersuhr“, die in jeder unserer 50 Billionen Zellen tickt und die man pflegen muss.
Flapsig könnte man sagen, wir sind so jung wie unsere Telomere lang sind. Der Begriff Telomer kommt aus dem Griechischen (télos „Ende“ und méros „Teil“). Dr. Christian Fach, Mediziner und Wissenschaftler im Bereich der Zellbiologie, erklärt das Phänomen sehr anschaulich: „Telomere sind eine Art biologische Uhr und mit jeder Zellteilung werden sie etwas kürzer und sagen der Zelle, wie alt sie ist und ab wann sie vielleicht zu alt ist, um sich zu teilen und weiter zu funktionieren.“

Die „Zündschnur des Todes“

Dries Van Noten Modepilot Amber Valetta
Hier stimmt alles mit den Talomeren: Die hier 43-jährige Amber Valletta bei Dries Van Noten, Herbst/Winter 2017
Noch etwas präziser: Jede unserer Zellen besteht aus 23 Chromosomen-Paaren, also aus insgesamt 46 Chromosomen, die das Erbgut tragen. Sobald sich eine Zelle teilt, muss diese Erbgut-Information verdoppelt werden. Pro Sekunde finden ca. 107 Zellteilungen statt. Damit dabei keine „Kopierverluste“ entstehen, gibt es die Telomere. Das sind Schutzkappen an den Enden der Chromosomen. Ähnlich wie die Schlussstücke bei einem Schnürsenkel, verhindern diese kleinen Hülsen ein Ausfransen der Erbgutträger oder dass sie sich an ihren Enden verbinden.
Da sich die Zelle aber immer wieder und wieder teilt, werden die Kappen irgendwann zu kurz. Und was passiert dann? Die Zelle wird sich nicht mehr teilen, die Chromosomen-Enden können miteinander verkleben und die Zelle vergreist. Das wirkt sich auf alle Mechanismen im Körper aus, die mit Erneuerung, Reparatur und Recycling zu tun haben. Sie werden schwächer und stellen irgendwann ihre Funktion gänzlich ein.
Das wiederum hat Auswirkungen auf unsere Optik und die Gesundheit. Hautzellen und Pigmentzellen der Haare sterben ab, das hat Falten zur Folge und ein Ergrauen der Haare. Das Sehvermögen verschlechtert sich und die Schleimhäute werden trockener. Weil der Alterungsprozess sich beschleunigt und typische Alterskrankheiten auftreten, werden Telomere auch ziemlich drastisch als „Zündschnur des Todes“ bezeichnet.

Nobelpreis für den „Jungbrunnen“

Entdeckt wurden die Telomere von Jack Szostak, Professor für Chemie, Chemische Biologie und Genetik an der Harvard Medical School in Cambridge. Dafür hat er zusammen mit den Biologinnen Elizabeth Blackburn und Carol Greider 2009 den Nobelpreis für Medizin erhalten.
Die beiden amerikanischen Forscherinnen hatten bereits 1985 die Telomerase in dem Wimpertierchen Tetrahymena studiert. Eine wichtige Erkenntnis für die Altersforschung, denn Blackburn beobachtete, dass die Telomere nicht kontinuierlich Stück für Stück kürzer, sondern zwischendurch immer wieder länger wurden. Sie schienen zu wachsen. Die Ursache dafür war ein Enzym, die Telomerase.
Ein wichtiges Puzzle-Teil im Aging-Prozess der Zellen war gefunden. Die Telomerase beschützt die Telomere. Eine Art „Jungbrunnen“ für die Zellen, so daß sie sich immer weiter vermehren können und quasi unsterblich werden. Stammzellen besitzen dieses äußerst aktive Enzym, aber leider auch Krebszellen, die sich auf diese Weise rasant ausbreiten. „Tumorzellen sind unsterblich, das heißt, sie können sich immer weiter teilen“, so Blackburn. „Ihre Telomere sind zwar kurz, dafür aber besitzen sie eine riesige Menge an Telomerase.“

Telomerase-Hemmer

Telomerase-Hemmer könnten eine Methode sein, um die Krebszellen zu besiegen, befinden sich aber noch in der Studienphase. Dass sich Krebs allein mit der Blockade der Telomerase heilen lässt, glaubt Carol Greider ohnehin nicht. Doch: „Krebszellen teilen sich viel häufiger als andere Zellen. Daher werden Telomerase-Hemmer auch einen besonders starken Effekt auf Krebszellen haben und die Nebenwirkungen werden sich in Grenzen halten“, sagt sie. Noch herrscht das Modell Hoffnung vor!
Die Telomerase ist und bleibt (vorerst) also ein zweischneidiges Schwert: Eine niedrige Telomerase-Aktivität wirkt einer unkontrollierten Zellteilung entgegen, was ein Tumor-Wachstum hemmt. Gleichzeitig geht eine geringe Aktivität mit der Alterung der Zellen einher. Moderne Langlebigkeits-Experimente befassen sich deshalb damit, ob eine Steigerung der Telomeraseaktivität das Altern verlangsamt. Das allerdings würde wiederum die Krebszellen schneller wachsen lassen.
Gehen wir zurück zu gesunden Stammzellen. Funktioniert die Telomerase nicht, altern die Zellen, wobei auch noch andere Mechanismen an den komplexen Veränderungen, die wir als Altern wahrnehmen, beteiligt sind. Inzwischen weiß man auch, dass diese Enzymaktivität und damit auch die Länge der Telomere im Laufe des Lebens naturgegeben nachlässt. In Kulturen im Labor hat man beobachtet, dass sich die Zellen eines Neugeborenen noch 80 bis 90 Mal teilen können, während es bei den Zellen eines 70-Jährigen nur noch für 20 bis 30 Teilungen reicht. Hinzu kommt, dass mit zunehmendem Alter die Anzahl der funktionierenden Stammzellen immer weniger wird. Schäden an der DNA und die Verkürzung der Telomere verschlimmern es zusätzlich.

Das Slow-aging Konzept

Dass man den Alterungsprozess nicht umkehren oder aufhalten kann, wissen wir alle. Deshalb gibt es auch kein Anti-aging, allenfalls Slow-aging. Und darin übernehmen die Telomere wieder einen entscheidenden Part. Ein Verlängern der Telomere könnte uns fünf Jahre mehr Lebenszeit schenken. Das hat zumindest der Genetiker Richard Cawthon von der Universität in Utah herausgefunden. In einer Langzeitstudie hat er die Lebensdauer an zwei Gruppen älterer Probanden verfolgt. Bei den einen waren die Telomere kürzer, bei den anderen länger. Tatsächlich schrumpften mit der Zeit die Schutzkappen bei allen, doch die Gruppe mit den längeren Endkappen lebte im Durchschnitt fünf Jahre länger.
Cawthon behauptet sogar, dass wir unserer Lebenspanne zehn bis 30 Jahre hinzufügen könnten, wenn es uns gelingen sollte, das Schrumpfen der Telomere komplett zu unterbinden. In dieser Hinsicht gibt es bisher noch keine Lösung. Doch schon jetzt kann man einiges tun, um seine Telomere zu verlängern und damit jung und vital zu bleiben. Deren Länge ist nicht nur die Maßeinheit für unser biologisches Alter, sondern hängt auch mit der Gesamtsterblichkeit und dem Risiko für Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs zusammen.
Vielleicht werden Sie jetzt enttäuscht sein, denn was die Altersforscher uns anzubieten haben, sind keine überraschend revolutionären Tipps. Es sind alles Lifestyle-Maßnahmen, von denen wir ständig zu hören bekommen oder − besser noch − sie bereits praktizieren. Langlebigkeit ist ein Ganzheitskonzept, das auf mehreren Säulen basiert.

Ernährung

Sie steht an erster Stelle. Es gibt ausreichend wissenschaftliche Hinweise, dass Übergewicht die Alterung beschleunigen kann. In einer Studie von Frauen im Alter von 35 bis 70 wurden Jo-Jo-Diäten und eine starke Gewichtszunahme ab 30 mit verkürzten Telomeren assoziiert. Man vermutet, dass Adipositas eine chronische Entzündung verursacht, die oxidative Schäden produziert, auf die Telomere empfindlich reagieren.
Auch Genussmittel wirken sich aus. Während einige Studien dem Kaffee einen positiven Einfluß zuschreiben, bewirkt regelmäßiger Alkohol-Konsum das Gegenteil von Slow-aging. Er wird mit einer Verkürzung der Telomere in Verbindung gebracht. Die Ernährung sollte aus gesunden, vollwertigen und vorwiegend pflanzlichen Nahrungsmitteln bestehen. Ungünstig sind stark verarbeitete Lebensmittel wie Limonade und Fertiggerichte sowie Fleisch, Milch- und Weissmehl-Produkte.

Bewegung

Sport schützt die Telomere. Gemeint ist jetzt kein Marathon oder Hochleistungssport, sondern ein vielseitiges, aber insgesamt moderates Sporteln mit hohem Anteil an ausdauersportlicher Aktivität. Eine Studie fand heraus, dass Leute, die regelmäßig trainierten, weniger kurze Telomere hatten als untrainierte Menschen. Dabei schien die Korrelation zwischen Telomer-Länge und Trainingshäufigkeit im mittleren Alter am stärksten zu sein. Das heißt, dass es nie zu spät ist, fitter zu werden und die Telomere daran zu hindern, sich weiter zu verkürzen.
Am besten macht man täglich etwas, auch wenn es etwas ganz Banales ist. Beispielsweise statt das Auto zu nehmen, lieber einen längeren Spaziergang machen. Wer viel sitzt, sollte besonders darauf achten, sich ausreichend zu bewegen, denn das viele Sitzen beschleunigt den Alterungsprozess. Man sagt, wer täglich zehn Stunden sitzend verbringt, hat Zellen, die einem acht Jahre älteren Menschen entsprechen.

Stressabbau

Chronischer Stress ist nicht nur verantwortlich für schlechte Laune, sondern auch für vorzeitiges Altern. In mehrere Studien konnte nachgewiesen werden, dass chronischer Stress zu kürzeren Telomeren führt. Interessant ist dabei eine Studie, die Mütter von gesunden Kindern mit denjenigen verglich, die chronisch kranke Kinder zu betreuen hatten. Die Telomere der pflegenden Mütter waren um 10 Jahre kürzer als die der Kontrollgruppe.
Um Stress abzubauen und den Körper auf  Slow-aging umzuschalten, sollte man alle Register einer gesunden Lebensweise ziehen: tägliche Bewegung an der frischen Luft, genügend Schlaf bei geöffnetem Fenster und Optimierung der Vitalstoffversorgung (z.B. Vitamin D, Vitamin B12, Magnesium, Selen, Q10). Forscher fanden heraus, dass die Einnahme von Omega-3- Fettsäuren über vier Monate zu längeren Telomeren führt. Fette Fischsorten erfüllen denselben Zweck.
Auch Curcumin, der Aktivstoff in Kurkuma, wird als vielversprechende Langlebigkeitssubstanz beschrieben. Wird Curcumin mit Piperin, dem Wirkstoff aus dem schwarzen Pfeffer, kombiniert, kann das den Curcumin-Spiegel im Blut um das 30-fache erhöhen. Antioxidantien wie die Vitamine C und E bieten den Telomeren Schutz vor oxidativer Schädigung durch freie Radikale wie sie durch Stress, UV-Strahlen, Luftverschmutzung, Zigarettenrauch und Herbizide oder auch Junk-Food entstehen. Nahrungsergänzungsmittel sollte man allerdings nur bei einer Unterversorgung heranziehen, nie wahllos einwerfen, sondern immer vorher beim Arzt testen lassen. Dann steht einem Slow-aging nichts mehr im Weg!
Mehr von unserer Autorin Margit Rüdiger lesen Sie jeden Freitag hier auf MODEPILOT.de – Ihre bisherigen Kolumnen gibt es hier >>> und mehr auf ihrem Blog Culture & Cream (>>>) Fragen, Wünsche, Feedback? Sie erreichen unsere Kolumnistin unter beautypro[@]modepilot.de
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Felicitas sagt:

    Vielen Dank, ich brauche keine Telomere! Alles Leben besteht aus Werden und Vergehen und dem werde ich mich fügen.. will ich denn wirklich meine Freunde/innen überleben und dann in einer Welt leben, die ich nicht mehr verstehe? Nein danke.. Alter hat auch etwas befreiendes, positives.. man/frau kann es erkennen und leben und es ist besser als alles davor. .. aber es betrifft nicht das äußere sondern das Innenleben..ich hoffe, ihr könnt das auch erfahren..
    • Kathrin Bierling sagt:

      Liebe Felicitas, eine schöne Sicht, die Du hier mit uns teilst, vielen Dank dafür! Als ich neulich welke Blumen, die in einer Vase auf unserem Esstisch standen, entsorgen wollte, sagte mein Freund: Die sind doch schön! Und er hat vollkommen recht. Welke Blumen haben oft etwas sehr Anmutiges. Man muss sich nur darauf einlassen. Dann sieht man es auch. Und ich freue mich schon, uns altern zu. Wenn sich dabei die eine oder andere Zelle noch frisch anfühlt, ist das bestimmt auch etwas Feines.