Morgen: Cheat Day bei H&M?

Gibt es so etwas wie einen „Cheat Day” beim Shoppen? Klar, gibt es so etwas! Das Konsumieren von Mode lässt sich mit Essen hervorragend vergleichen. Der Selbststricker ist der 'Clean Eater' unter den Textilfreunden.
Wer sich für seine Verhältnisse zu sehr kasteit, und das ist aktuell schnell gegeben durch den Awareness-Gruppenzwang, bekommt unweigerlich Heißhungergefühle – sei es nach Pizza und Softeis oder eben nach unvernünftigem Mode-Konsum.
Morgen lanciert H&M eine Kollektion mit Prints aus den Sechzigerjahren, inspiriert von Seidenschaldesigner Richard Allan. Der Brite entwarf ab 1962 quadratische Seidenschals mit modernen Art Nouveau-Mustern. Bereits im ersten Verkaufsjahr fanden sich für seine Tücher 50.000 Abnehmer und die feinsten Adressen Londons, darunter Fortnum & Mason, Harrods, Harvey Nichols, Liberty und Selfridges, rissen sich darum. Es folgten Kooperationen mit Schiaparelli und Yves Saint Laurent.

Richard Allan x H&M

Seit 2014 belebt seine Tochter Cate Allan das Geschäft neu. Mit der Gründung von 'Richard Allan London' macht sie ihre Fundstücke aus dem Archiv für Liebhaber wieder zugänglich, darunter gerahmte Kunstdrucke und Tücher. Zur Kooperation mit H&M sagt sie:
„Es ist toll zu wissen, dass die Designs meines Vaters einem ganz neuen Publikum präsentiert werden. Er wäre genauso begeistert wie ich. Viele seiner farbenfrohen Kreationen sind heutzutage genauso relevant wie in den 60er bis 80er Jahren, als sie erstmals konzipiert wurden. Als Neuinterpretation für das 21. Jahrhundert wird diese Kollektion hoffentlich, die außergewöhnlichen Talente von Richard Allan zeigen und somit eine neue Generation und neue Orte erreichen.“
Nun also Polyester und Viskose. Ja, es schmerzt mir das Herz, dass nicht einmal ein einziges Tuch der H&M-Kollektion aus Seide hergestellt wurde. Das sähe doch gleich ganz anders aus und man könnte sich viel länger daran erfreuen! Andererseits lassen die Designs und Preise von 9,99 Euro bis 39,99 Euro das Herz auch hüpfen.
Modepilot H&M Richard Allan
Von morgen, 22. August 2019, an: die Richard Allan-Kollektion bei H&M
Auf Nachfrage teilt man mir mit, dass es sich bei den Materialien leider nicht einmal um recyceltes Polyester handelt. Bei H&M hätte man das mittlerweile vermuten dürfen. Das macht das Gefühl des 'Cheatens' umso größer! Denn, sich so einen plissierten Rock nun zu kaufen, ist für die Umwelt so schädlich wie Softeis für unseren Magen, nur langanhaltender.

Cheat Day-Umfrage

Ausblenden und durch? Schließlich haben wir jetzt lange genug bei Hessnatur eingekauft, Lidschatten aus Pappschachteln verwendet, und auch sonst Plastik vermieden, wo es ging?
Modepilot Richard Allan Drucke Schaldesign
Glück gehabt? Meine beiden Favoriten aus der Kollektion sind aus Viskose, einem halbsynthetischen Stoff, hergestellt worden. Der Hauptrohstoff, Zellulose, ist ein nachwachsender. Kleid: 24,99 Euro, Rock: 19,99 Euro.
Was meint Ihr? Lohnt es sich bei den schönen zu Kleid gewordenen Prints von Richard Allan einen Cheat Day einzulegen? Für mehr Kollektionsteile seht bitte in die Galerie unten. Von den Teilen in Schwarz/Weiß sind T-Shirt, Overall und Hose aus 50 Prozent BCI-Baumwolle (Better Cotton Initiative).

Gönnst Du Dir was aus Polyester?

 
Photo Credit: H&M
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • vivien_noir sagt:

    Hier muss ich etwas einhaken - an Polyester kann man sich leider wesentlich länger als an Seide erfreuen, soweit man sich halt an Kunstseide erfreut.

    Ich habe Polyesterblusen und -Unterkleider aus den 60er Jahren in meinem Fundus, die noch immer wie neu aussehen, keine Farbverblassung und absolut keine Alterserscheinungen. Hingegen wird Seide mit dem Alter brüchig, und ich musste schon mehrere Teile tränenden Auges entsorgen, weil z.B. mitten im Büro plötzlich an mehreren Stellen wie der Ärmelnaht, Manschetten und Kragennaht Rissbrüche entstanden, oder Seidenschals plötzlich Querrisse bekamen. Es ist halt doch ein Naturprodukt, und Polyester Plastik... auch in der Haltbarkeit.


    • Kathrin Bierling sagt:

      Liebe vivien_noir, das stimmt natürlich: Polyester hält viel länger. Das ist umwelttechnisch natürlich auch das Problem. Seide verschwindet irgendwann, Polyester nie. Aber natürlich werden weniger Rohstoffe verschwendet, wenn man eine Bluse aus den 1960ern noch heute trägt und keine neuen Blusen mehr kauft – nachhaltiger geht es natürlich nicht!

      Was die Optik und das Tragegefühl angeht, ist Seide aber schon um Längen besser als Polyester, findest Du nicht?

      Liebe Grüße, Kathrin