„How terribly modern”

Penhaligon's Portraits. „How terribly modern” steht auf dem Faltkarton einer Parfümprobe. Ich werde neugierig, zumal mir der Duft, den ich mir gerade aufs Handgelenk sprühte, gefällt. Er wird mit jeder Zeile besser. Ich erfahre, dass der fiktive Charakter des Parfums, „The Ruthless Countess Dorothea”, nichts geschmackloser findet als das, was man als 'modern' bezeichnet. Ich lieb's!

Die Faszination

Während sich das Parfum weiter auf meiner Haut und um den Schreibtisch herum entfaltet, lese ich:
A ferocious matriarch, Countess Dorothea is known for her sharp mind, sharper wit and a fondness for men, scones and blackmail. In matters of education, for the fairer sex, there is but one rule: never explain, never complain.
A good marriage has often been ruined by details. Modernity is nothing if not the most tasteless of crimes. Her determination to uphold standards is almost touching, her memory legend and her capacity for forgiveness none.
Was für ein Begleittext! So einen ur-britischen Text übersetzt man lieber nicht. Wie soll man auf Deutsch die Dinge so elegant beim Namen nennen? Ich kann nicht einmal so denken.
Aber ich möchte jetzt wenigstens so riechen.

Maximale Stimulation fürs Duftzentrum im Gehirn

Meine Begeisterung hält mit jedem weiteren Atemzug, der über mein Handgelenk schweift, an. Auf der Online-Seite erfahre ich, dass es noch weitere Charaktere gibt, insgesamt zwölf an der Zahl. Ich lese mich durch die Beschreibungen: „Wer weiß, ob es die zahllosen Abende im Theater waren, die den Duke zu seinem gleichermaßen exzentrischen wie faszinierenden Auftreten inspiriert haben... Er ist auf herrliche Weise allgegenwärtig.” Wenn man so etwas liest, fragt man sich: Warum gibt es eigentlich immer kein Riech-Internet?!
In der kommenden Woche stehe ich wieder bei Ludwig Beck. Dort, wo man mir samstags zuvor die Probe in die Tüte legte.
Zur Riechproben-Bestellung bitte ganz runter. 
Habt Ihr Euch das Video angesehen? Die Persönlichkeiten stehen sogar in einer Beziehung zueinander. Meine Countess pflegt eine Freundschaft zu einem gewissen Monsieur Beauregard (Iris in der Kopfnote) und das gleicht einem Skandal. Leute, das ist „Downton Abbey für Parfumliebhaber! Und es stoßen immer wieder neue Charaktere hinzu.
Mittlerweile sind es zwölf. Sie alle auf einmal zu testen, ist unmöglich. Die meisten kommen mir recht schwer und, na ja, umfangreich vor.
Auf Anhieb taugt mir auch „The Revenge of Lady Blanche”, ein frischer, klarer Duft. Dieser Damen-Charakter (mit einem Leoparden-Deckel) wird nicht weniger schonungslos beschrieben: Lady Blanche weiß genau, was sie will. Sie möchte ihre eh schon privilegierte Stellung in der Londoner Society weiter ausbauen. Dafür schreckt sie nicht davor zurück, ihren Mann zu vergiften: Lord George, das Eau de Parfum mit dem Hirschkopf. Sein Motto: „Das Fleisch ist schwach”. Seine Affäre(n) entgehen ihr natürlich nicht, auch wenn sie sich nichts anmerken lässt. Ihr Duft: ein grün-florales Narkotikum. Charmingly dangerous.

Feine Gesellschaft

Das folgende Gruppenbild zeigt die zehnköpfige 'feine Gesellschaft' noch bevor die beiden Emporkömmlinge aufgenommen wurden. Die Neuzugänge, ein Amerikaner und Lady Blanche's kleine Schwester, stelle ich ganz unten vor.
Portraits-Collection-Hero Modepilot Penhaligon's Portraits
Damen- und Herrendüfte der Penhaligon's Portraits mit z.B. 'The Bewitching Yasmine' (Katze) und 'The Tragedy of Lord George' (Hirsch) links außen oder 'The Revenge of Lade Blanche' (Leopard) und 'Clandestine Clara' (Pfau) außen rechts
Das ausgefeilte „Storytelling” funktioniert natürlich nur, wenn die Produkte einer derart großen Geste auch folgen können. Für meinen Geschmack tun sie das in vielerlei Hinsicht. Neben der soliden Flakons (schweres Glas und massiver Deckel) ist auch der Inhalt alles andere als gewöhnlich.
Nach zehn Tagen verwende ich die erste Probe immer noch täglich und freue mich jedes Mal wie ein kleines Kind darüber. Mittlerweile ist mir auch eingefallen, woran mich „The Ruthless Countess Dorothea” erinnert: 'Sculpture' von Nikos. Die 1990er Jahre sind eben nicht nur in der Mode zurück. How terribly modern.

Penhaligon's Portraits − Neuerscheinungen

 
Der neue Herrenduft, geschmückt von einem Stierkopf, steht für den US.-Amerikaner „The Blazing Mister Sam”. Er lebt jetzt in London. Er ist neureich, indiskret, laut und hat rüde Manieren, zumindest schwört Countess Dorothea, dass sie ihn das F-Wort hat sagen hören. Sein Motto: Wie ein Stier im Porzellanladen. Seine Duftnoten: Zimt, Safran, Vanille, Patschuli, Tabak, Zedernholz.
„Changing Constance”, der neueste Damenduft, ist ein würziges Eau de Parfum. Sie ist die Schwester von Lady Blanche, aber sie verachtet sie. Sie erträgt deren veraltete Vorstellung von der Rolle der Frau nicht. Constance möchte arbeiten, Verantwortung und Hosen tragen. Wobei die Hosen bitte maßgeschneidert und aus Cashmere sind.
Eigentlich ist mir ihre Gourmand-Komposition zu aromatisch, aber wenn Kardamom und Pimentblätter-Öl für Comfort-Feminismus stehen, dann sollte ich vielleicht auch nach Lebkuchen duften.
Duftproben nach Hause liefern lassen: Im Penhaligon's Onlineshop >>> kann man Zerstäuberproben gegen 5,50 Pfund (circa 6,17 Euro heute) Versandkosten bestellen. Der Betrag kann mit einer Flakonbestellung später verrechnet werden. Auch einen Reisezerstäuber bekommt man dann gratis dazu. Hier geht es zur Probe von Countess Dorothea >>> , hier zu den Proben von Changing Constance und Mister Sam >>> und hier zu den Proben von Lady Blanche und Lord George >>> Wer einen deutschen Onlineshop bevorzugt: ausliebezumduft.de/marke-penhaligons
Modepilot Penhaligon's Portraits Mister Sam Changing Constance
Duftproben Changing Constance' und 'Mister Sam' von Penhaligon's
Photo Credit: Penhaligon's
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • vivien_noir sagt:

    Das ist ja ein geniales Konzept! Ich denke, noch nie hat mir Parfum mehr Spaß gemacht (noch bevor ich daran riechen konnte), und nie war ich mehr neugierig darauf!