So ein Kleid möchten wir gerade haben – warum ist das so?

Es ist kein Laufstegtrend. Es ist vielmehr ein Klassiker, der seine Begehrlichkeit gerade vielmehr durch ein Lebensgefühl bekommt. Für diesen Trend braucht es auch keinen großen Designernamen – im Gegenteil! Es ist die Einfachheit, das Vertraute und NICHT die Neuinterpretation, die den Wunsch nach diesem Kleid auslöst. Nicht zuletzt ist es ein Bedürfnis nach Sicherheit – das einem ein Designer so gerade nicht geben kann.
Früher gab uns noch eine Designermarke eine Art Sicherheit. Und, wenn es nur die Sicherheit war, bei etwas Neuem dabei zu sein. Mode ist immer ein sich abgrenzen wollen zur einen Seite und ein Dazugehören wollen zur anderen. Es war die Louis Vuitton-Handtasche, aber auch das Alaïa-Kleid, das uns eine Sicherheit gab. Es war der New Look von Christian Dior in den Fünfzigern und das Mini-Kleid von Pierre Cardin in den Sechzigern, usw.
Aber jetzt möchten wir nichts Neues (vom Midi-Rock, der Off-shoulder-Bluse und dem neuem Blockabsatz, den wir genau so noch nicht haben, einmal abgesehen). Oder wie geht es euch mit den neuesten Designer-Kreationen? Ist euch Modeinteressierten das neue Dolce & Gabbana-Kleid nicht auch plötzlich ziemlich wurscht? Und, nein, mich dürstet es gerade nicht nach überinterpretiertem Nostalgie-Charme à la Alessandro Michele für Gucci.

Nostalgie funktioniert

Für die einen ist er der glitzernde Plissee-Rock, den Alessandro Michele für Gucci über den Laufsteg schickte und den nun alle bei den Vertikalen kaufen, um ihn zu einem weißen T-Shirt und weißen Superga-Sneakern zu kombinieren – von der Studentin bis zur Bankangestellten am Samstagabend!
Für mich ist es das gestreifte Hemdblusenkleid, das entweder auf Taille geschnitten oder mit einem Gürtel auf Taille gezurrt wird. Eben ganz so, wie ich es von meiner eleganten wie patenten Großmutter kenne.
Rocky Barns Lacademie Revolve Shirt Dress Modepilot
Instagram-Star Rocky Barnes in einem Hemdblusenkleid von L'Acadamie

Was rückt gerade an die Stelle des Designer Key-Pieces?

Es sind die alten Werte, die von findigen, meist aus den USA stammenden neuen Labels über Instagram-Stars – formerly known as fashion blogger – bestens in Szene gesetzt werden. Es handelt sich um Designteams, die völlig frei von einer Markenhistorie, das aufgreifen können, was in der Luft liegt: eine Sehnsucht nach vertrauter Kleidung, nach Romantik etwa. Und dies wird – ganz nahbar – von den echten Mädchen in einem scheinbar unbekümmerten Leben erfolgreich am Laufsteg vorbei kommuniziert. Wer braucht da noch eine Designerpersönlichkeit oder eine Catwalk-Show?
Ich kann mich gerade für Einzelteile von ottod'Ame begeistern. Die Marke kannte ich vorher nicht und erst bei meiner modisch versierten Secondhand-Boutiquenbetreiberin entdeckt.
 
Das durchgeknöpfte Baumwollleid von ottod'Ame trage ich gerade deshalb so gern, weil es mich an eine unbeschwerte Urlaubszeit bei meiner Großmutter und an die von ihr vermittelten, modischen Werte erinnert: Das Kleid ist aus 100 Prozent leichter Baumwolle, waschmaschinenfest und kleidsam. Es ist für heiße Tage ideal (luftiger geht es nicht), aber man sieht dennoch "angezogen" und weiblich damit aus. Die Ärmel sind hervorragend verarbeitet: die viererlei blauen Streifen folgen der Schnittführung. Würde meine Großmutter heute noch unter uns weilen, würde sie mich nach der Marke fragen. Aber vermutlich wäre ihr Ralph Lauren (eine ihrer Lieblingsmarken) heute auch nicht mehr so wichtig. Sie würde den Stoff zwischen ihren Fingerkuppen reiben, die Knopfleiste begutachten und dann die Unterlippe anerkennend schürzen und mir auf die Schulter klopfen, bevor sie wieder an ihrer Zigarettenspitze zöge.
Hinter dem 2011 von Designerin Silvia Mazzoli gegründeten Label stecken acht Frauen. Mazzoli ist nach wie vor die kreative Spitze, aber viel mehr bringt man über das Label nicht in Erfahrung. Die Philosophie: Die Damen arbeiten mit dem Herzen. Aber das wusste ich alles gar nicht, als ich mich für das Kleid entschieden hatte.
Es war meine Großmutter und eventuell der ein der andere Instagram-Star von Revolve, der mich nach einem durchgeknöpften Baumwollkleid suchen ließ. Das Kleid an Rocky Barnes von L'Acadamie (eine Eigenmarke des Onlineshops Revolve) ist aus Polyester, dafür aber teurer (über 150 Euro) als vergleichbare Konkurrenz-Modelle aus Baumwolle. Man kann das Instagram-taugliche Kleid also nach dem Shooting in die Tonne treten, denn es taugt weder für den Sommer (kein Deodorant der Welt hilft bei Polyester!) noch für den Winter. Bei aller Leichtigkeit und Designverdruss: So viel Interesse für Mode und Bekleidung muss sein. Das Headerfoto (ganz oben) stammt übrigens aus der aktuellen Polo Ralph Lauren-Kampagne für den Sommer 2016. Die Kleider sind allesamt aus Baumwolle und man bekommt sie gerade für um die 100 Euro.

Hemdblusenkleider vom Laufsteg (2006 bis 2015)

Barbara machte im September 2014 schon aufmerksam auf blaue Hemdblusenkleider, die für den Sommer 2015 vom Laufsteg kamen.
 
PS.: Isa, die jüngste Modepilotin unter uns, war mit meiner Erstversion des Textes nicht so richtig einverstanden. Sie wies mich darauf hin, dass man der Designerkleider nur überdrüssig sein kann, wenn man sie bereits zuhauf im Schrank hängen hat. Doch! Immerhin stellte sich bei unserer Diskussion heraus: Sie liebäugelt gerade mit einem gestreiften Hemdblusenkleid von Polo Ralph Lauren, das sie kürzlich bei Lodenfrey entdeckt hat.

Hemdblusenkleider von Polo Ralph Lauren

Ich konnte nicht widerstehen, und fügte auch Modelle für kleinste und kleine Mädchen in die Shopping-Galerie. Das gestreifte, durchgeknöpfte Baumwollkleid ist ein Polo Ralph Lauren-Klassiker – für jung und alt!
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Photo Credit: Ralph Lauren PR, Ottod'Ame, Screenshot vom Instagram-Account von Rocky Barnes
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Sybille sagt:

    Ich bin total Deiner Meinung. Ich habe mir gerade erst ein olivgrünes Hemdblusenkleid von Manufactum gekauft. Ein Traum. Und Otto d'Ame macht wirklich sehr schöne Sachen.
    • Maria sagt:

      Ein Hemdblusenkleid sieht nur an jungen Frauen modisch aus. Ich denke ab ca. 40 sieht es aus wie bei unseren Großmüttern. Ob wir das wollen?
      • Claudine sagt:

        Entschuldigung, aber: was für ein Schwachsinn!

        Seit wann sehen Frauen über 40 aus wie Großmütter, wenn sie ein Hemdblusenkleid tragen?


        Freundliche Grüße

        Claudine


  • immagine consulente sagt:

    Amazing outfits and looks.

    I love the pictures and the article content.

    Thanks a lot for sharing.

    Consulenza d'immagine

    Cheers