Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

Ein neues Hüftgelenk: alles easy − oder doch nicht?

Eine Hüft-Operation mit Implantat ist heute längst Standard im orthopädischen Behandlungs-Spektrum. „Endoprothese“ ist der Fachausdruck für das künstliche Gelenk. Doch so einfach, wie es oft dargestellt wird, ist es in der Realität ganz und gar nicht mit dem Gelenkersatz. Das konnte ich nun selbst erfahren.
Modepilot vor der Operation
Vor der Operation
Seit ich wusste, dass mir eine Hüft-Operation bevorsteht, habe ich immer wieder − sobald das Thema aus irgendeinem Grund zur Sprache kam − Leute getroffen, die bereits so ein Implantat hatten. Unisono hieß es dann stets, wie einfach der Eingriff doch gewesen sei. Immer wieder hörte ich „Ich konnte danach sofort wieder laufen“ und „Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich es schon viel früher machen lassen“.
Aber habt Ihr denn wirklich alles vergessen?, frage ich da nur staunend, nachdem ich selbst diese Operation hinter mir habe. Das Phänomen scheint ähnlich wie nach einer Geburt zu sein. Sobald die Mutter ihr Baby in den Armen hält, sind alle Schmerzen vergessen. So glorifizieren die meisten Betroffenen auch ihre Hüft-Operation im Nachhinein. Diese alles-easy-Haltung stellt sich bei mir aber (noch) nicht ein.

Ein langer Weg

Mein Röntgenbild mit der neuen Hüfte
Röntgenbild meiner neuer Hüfte
Die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks ist alles andere als ein Spaziergang. Es ist ein langer Weg. Ich spreche jetzt nicht von den vier Stunden Wartezeit, die ich seit dem frühen Morgen entkeimt, in OP-Hemd, Bademantel und blauen Überziehern an den bloßen Füßen frierend mit mehreren Leidensgenossen in einem Warteraum der Klinik vor dem Fernseher verbracht habe, bis die Schwester uns nacheinander im Rollstuhl in den jeweiligen Operationssaal rollte. Ich spreche auch nicht von dem Eingriff als solchem. Die Endoprothese war in 40 Minuten in meinen Oberschenkelknochen gehämmert, die nur sechs Zentimeter lange Wunde an der Aussenseite wieder verschlossen − innen genäht, außen geklammert.

Wo sind meine Muskeln geblieben?

Das Danach empfand ich als viel schlimmer. Als ich drei Stunden nach der Narkose in einem sehr schönen Einzelzimmer aufwachte, sondierte ich erst einmal meinen Körper und versuchte, das Bein mit der operierten Hüfte zu heben. Es ging nicht. Als wären alle Muskeln, die ich mir doch jahrelang durch Sport antrainiert hatte, plötzlich aus dem gesamten Bein verschwunden. Ich konnte noch nicht mal den Fuß im Bett aufstellen.
Modepilot nach der Hüftoperation im Einzelzimmer
nach der Operation
Die vorherigen Arthrose-Schmerzen in der Hüfte waren zwar weg, dafür hatte ich starken Wund- und Muskelschmerz. Alle paar Stunden bekam ich entsprechende Medikamente, zwischendurch − vor allem auch nachts − eine schmerzstillende Spritze. Ich lag tagelang wie ein gestrandeter Maikäfer auf dem Rücken in meinem Klinik-Bett, konnte mich nach keiner Seite drehen. Zum Aufstehen brauche ich in den ersten Tagen Hilfe. Stehen konnte ich auf dem operierten Bein nur mit meinen Krücken als Stütze. Ich lernte, dass ich zum Aufstehen erst an die Bettkante robben muss, dann aufrecht hinsetzen, das linke Bein von mir strecken und auf dem rechten Fuß und den Krücken in eine stehende Position kommen. Ebenso auf der Toilette − mit erhöhtem Sitz.
Übungen im Therapieauto
Mit Krücken zum Übungsauto
„Das operierte Bein bloß nicht nach außen drehen“, ermahnte mich die Schwester immer wieder. Wollte ich mich beim Gehen umdrehen, musste ich ganz kleine Schritte machen. Ähnlich wie man mit dem Auto einparken lernt: zurücksetzen und wieder vor und noch mal zurücksetzen. Wollte ich wieder ins Bett zurück, musste ich das operierte Bein mit beiden Händen auf die Liegefläche hieven, bis mir meine Lieblingsschwester Kate (aus Südafrika) einen Trick zeigte. Man schiebt den Fuß des gesunden Beins unter die Fessel des operierten und hebt mit Kraft der Bauchmuskulatur beide Beine in die gewünschte Position. Das klappt und hat einen positiven Nebeneffekt, denn dabei trainiere ich gleich meine Bauchmuskeln.
Modepilot halber BMW Reha Hüftoperation
Das halbe Auto in der Reha zum Trainieren
Ich lerne an Krücken Treppen zu gehen – rauf und runter. Ich lerne am Therapieauto der Klinik, einem „abgeschnittenen“ BMW, wie man mit Krücken in ein Auto ein- und aussteigt. Wenn mir etwas aus der Hand fällt, kann ich es nicht alleine aufheben. Ich darf das operierte Bein nämlich für viele Wochen nur maximal um 90 Grad anwinkeln. Jetzt versuchen Sie doch mal mit diesem Handikap etwas vom Boden aufzuheben! Ich kann auch nichts transportieren, was ich nicht in einer Tasche an die Krücken hängen kann.
Also eine Tasse zum Waschbecken zu tragen, um sie auszuwaschen, geht schon mal nicht.

Ins Kleinkindalter zurückversetzt

Manchmal komme ich mir vor, wie ein Kleinkind, das die ersten Schritte ins Leben macht. Von Selbständigsein und richtig laufen bin ich noch weit entfernt. Nach den sechs Tagen in der Klinik bin ich postoperativ gerade mal so weit wieder hergestellt, dass ich die Reha auf Krücken betreten kann und nicht im Rollstuhl gefahren werden muss. Das ist doch schon was!
Mehr von unserer Autorin Margit Rüdiger und ihrer Hüftoperation finden Sie hier unter ihren bisherigen Kolumnen >>> und mehr über Beauty und Reisen auf ihrem Blog Culture & Cream (>>>) Fragen, Wünsche, Feedback? Sie erreichen unsere Kolumnistin unter beautypro[@]modepilot.de
Photo Credit: Margit Rüdiger für Modepilot
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Kati sagt:

    Der Artikel über die Hüft-OP hat mir Kraft gegeben. Ich bin ebenfalls frisch operiert und empfinde es genau wie sie. Nicht easy-peasy. Danke