Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt
Byredo Make-up − eine neue Linie
Der Mann hinter der Brand ist mulitkulti und so außergewöhnlich wie er ist auch sein Beauty-Unternehmen Byredo. Jetzt hat Ben Gorham seine Welt der Düfte um eine Make-up-Linie mit hochwertigen Texturen erweitert. Ich finde, sie hat alles, um ebenso kultig zu werden wie seine Parfums.
„Die will ich haben“ − war meine Spontan-Reaktion, als ich die neue Make-up-Linie von Byredo zum ersten Mal gesehen habe. Spannende Formen, nicht die üblichen Schwarz-Silber-Verpackungen. Das gleiche Gefühl hatte ich damals, als Ben Gorham 2006 sein allererstes Parfum auf den Markt gebracht hat. Seine runden, schon fast gedrungenen Flakons hoben sich angenehm nischig von der Masse ab. Und dann erst der satte „Klack“-Ton, mit dem die schwarze Kappe den Spraykopf verschließt. „Encens Chembur“ war damals auch eine Novität für die Nase − eine harzig-warme Komposition mit indischem Weihrauch in moderner Interpretation. Es folgten viele, das Bekannteste ist Sunday Cologne. Byredo steht übrigens für „by redolence“, was so viel bedeutet wie „vergessene Situationen durch Düfte in Erinnerung rufen“.
Seine Düfte erzählen Geschichten
Tatsächlich hat der Ex-Basketballer Ben Gorham in den Düften seinen Lebensweg beschrieben, in dem sich indische, kanadische und schwedische Einflüssen paaren. Dabei ist Gorham kein Parfümeur, sondern so etwas wie der Impresario der Marke, dessen Ideen von erfahrenen Experten wie Olivia Giacobetti und Jérôme Epinette in Riech-Formeln übersetzt werden.
Ben Gorham ist gebürtiger Schwede, wo er und seine Schwester von ihrer alleinerziehenden Mutter, einer Inderin, aufgezogen wurden. Über sie sagt er: „Sie wuchs in einer Garage in Mumbai mit fünf Brüdern auf und sie waren extrem arm“. Als Ben 11 Jahre alt wurde, zog die Familie nach Toronto um. Durch den kanadischen Vater kein unbekanntes Territorium für die Gorham-Kinder. Dort entdeckte der Junge seine Liebe zum Basketball, trainierte vier bis fünf Stunden am Tag, unterstützt von seiner Mutter. Deshalb ging er auch nach dem College-Abschluss zurück nach Europa, um mit seinem Gardemaß von 1,95 m Profi-Spieler zu werden. Doch aus der Basketballer-Karriere wurde nichts, weil sich sein Immigrations-Verfahren in Schweden drei Jahre lang hinzog.
„Vorher war ich Ben, der Basketball-Spieler, talentiert, populär und voller Selbstvertrauen, und dann ein Niemand“, erinnert er sich. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, begann er mit 25 auf dem Bau zu jobben. Aus diesem „Tiefpunkt“ heraus fing er an, sich wie schon in College-Tagen wieder für Kunst zu interessieren und studierte. Auf der Stockholm Art School machte Gorham seinen Abschluss in „Fine Art“. Was ihn besonders faszinierte war die Welt der Düfte, nachdem er 2004 den Parfumeur Pierre Wulff kennengelernt hatte. Er beschloss, seine Kreativität lieber in Düften als in Gemälden auszuleben. Nicht viel später gründete er mit Hilfe von Investoren seine Marke Byredo.
Futuristische Visuals
Gorhams künstlerisches Talent kommt jetzt auch seiner Make-up-Linie zugute, die er im Juli 2021 auf den Markt brachte. Er bezeichnet die Kollektion als einen sehr visuellen Ausdruck von Schönheit für Byredo. Mit futuristischem Design. In der Tat sieht nichts aus, wie wir es gewohnt sind. Mascara und Lippenstifte stecken in gebogenen Hüllen. Deren Farben sind nicht kosmetisch zurückhaltend, sondern machen auf sich aufmerksam in einem lauten Rot oder schreiendem Grün.
Die Lidschatten-Paletten verbergen sich in goldfarbenen Schatullen, die aussehen, als wäre ein Goldbarren eingeschmolzen worden, der Licht und Schatten einfängt. Ein echter Handschmeichler. Das Byredo-Make-up spiegelt in jedem Detail die Subjektivität von Schönheit wider.
Für die Kollektion hat sich Gorham professionelle Unterstützung von einer außergewöhnlichen Make-up-Artistin geholt. Isamaya Ffrench ist eine Gleichgesinnte. Die Britin ist nicht mit ihren Kolleginnen vergleichbar. Sie versucht ständig an ihre Grenzen zu gehen, hat eine Ausbildung in Ballett und zeitgenössischem Tanz, ist in der Welt der Performance zuhause. Ffrench interessiert sich für Biohack und Transhumanismus (der Glaube, dass sich der Mensch durch Technologie über körperliche und geistige Einschränkungen hinaus entwickeln kann) als „neue Möglichkeiten, um ein Gesicht künstlerisch darzustellen und Schönheit zu erforschen“. Im Mai des vergangenen Jahres wurde sie zur globalen Beauty-Direktorin von Burberry Beauty ernannt. Dass sie trotzdem für Byredo arbeiten kann, erklärt sie damit, dass das Publikum ein anderes ist.
Byredo Make-up − Lust auf Farbe
Die Kernaussage bei Byredo beinhaltet Farbe, Kreativität und Geschichten. Es geht darum, Make-up auf eine neue Art und Weise einzusetzen. Keine Dogmen, sondern Lust auf den Umgang mit Make-up. „Ich möchte den Leuten nicht vorschreiben, wie sie die Produkte zu tragen haben, sondern sie inspirieren.“ Da wären beispielsweise multifunktionale Stifte in Farben, die universell schön sind und die man so tragen kann, wie man gerade Lust hat. Der Colour Stick kann auf Augen, Lippen oder Wangen angewendet werden.
Ich habe einige der zum Teil veganen Produkte ausprobiert: Die Textur des „Bâton de couleur“ ist so leicht, dass sie sich einfach verteilen lässt. Ich benutze die Finger dazu, um „Babi“, einen sanften Korallton, als Rouge und ganz dünn als „Augenöffner“ unter den Brauenbögen aufzutragen. Mit dem Pinsel wird der Colour Stick zum Lippenstift. Für mehr Intensität lässt sich die cremige Substanz gut schichten.
Besonders angetan hat es mir der Kajalstift wegen seiner starken Pigmentierung und dem 24h-Halt für ein einfaches Make-up, wie ich es liebe. Ich verwende „Bhoora Bhoora“, ein tiefes, rauchiges Braun. Etwas zeitaufwändiger wird es mit dem Eyeliner in einem intensiven Schwarz. Doch dank einem Hochpräzisions-Applikator, der wie ein ultrafeiner Filzstift aussieht, lässt er sich perfekt führen. Die Farbe trocknet bereits beim Auftragen, Korrekturen sind dann nur noch mit Wattestäbchen und Wasser möglich.
Die Farben meiner Test-Lidschatten-Palette „Sciomancer“ erscheinen mir auf den ersten Blick doch sehr intensiv: schillernde Metallic-Töne in Orange, Purpur, Blau, Dunkelgrün und dazu ein schwarz-silber glitzernder Top Coat. Alles deutet auf Drama-Queen hin. Doch die Texturen sind so leicht, dass sie sich zu einem Hauch von Farbe verblenden lassen. Wiederum benutze ich die Finger. Mit dem Pinsel wird es mir einfach zu kompakt und viel zu akkurat. Wer es dramatisch mag: einfach mehrere Schichten auftragen und mit dem silber-schimmer Top Coat krönen.
Schatullen mit indischer Bildsprache
Die Kooperation mit Isamaya Ffrench ist übrigens nicht die einzige, die Gorham bislang in Richtung Kunst eingegangen ist. Für die vergangene Festtagssaison hat er sich auf seine indischen Wurzeln besonnen und die Bildsprache der Madhubani-Malerei aus Bihar mit ihren komplexen geometrischen Mustern genützt. Dort ist auch die vielfach ausgezeichnete Künstlerin Mamta Devi beheimatet, die die Holzschatullen mit den farbenfrohen Symbolen bemalt hat. Sie dienen als Verpackung für eine limitierte Geschenke-Kollektion von Byredo. Dazu zählt ein komplettes Sortiment an Lippenstiften oder eine Auswahl an Duftkerzen, die zusammen mit einem Docht-Trimmer präsentiert wird, oder auch ein Kosmetikkoffer, der mit Schubladen voller juwelenartiger Kosmetika bestückt ist.
Ich habe eines dieser Sammlerstücke ergattert und erfreue mich täglich an den Farben der Holzschatulle auf meinem Schreibtisch. Auf die nächste Byredo-Kooperation bin ich schon gespannt. Denn das war sicher nicht der letzte künstlerische Einfall von Ben Gorham.
Mehr von unserer Autorin Margit Rüdiger lesen Sie jeden Freitag hier auf MODEPILOT.de – Ihre bisherigen Kolumnen gibt es hier >>> und mehr auf ihrem Blog Culture & Cream (>>>) Fragen, Wünsche, Feedback? Sie erreichen unsere Kolumnistin unter beautypro[@]modepilot.de
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Photo Credit: Byredo
Kommentare
Der Schwung - bildlich wie künstlerisch - und die kreative Herangehensweise begeistern mich! Diese Lidschattenpaletten haben eine ganz starke Anziehungskraft auf mich, ich kann ihre weiche, schmeichelnde und interessante Form beinahe schon spüren! Diese leichten Vertiefungen, die sich zu weichen Hügeln sanft erheben, haben an mir Assoziationen an Austern hervorgerufen. Die knalligen Farben mögen auf einige beinahe aufgekratzt laut wirken, aber die hohe Transparenz und gute Schichtbarkeit dürften sie für überraschend viele Menschen sehr ansprechend machen, und sicherstellen, dass man diese Handschmeichler nicht nur in die Wölbung der Handfläche gleiten lässt, um damit genüsslich tastend zu spielen. Ich bin beeindruckt, wie viele Sinne dadurch angesprochen werden, und mich beschleicht das schöne Gefühl, dass gerade diese multisensorische Dimension ein ganz starker Faktor sein wird, der in den kommenden Produktlancierungen hoffentlich wieder verstärkt berücksichtigt wird, um so nachhaltige Eindrücke zu hinterlassen.
Chapeau! Ich gehe jetzt nachsehen, wo es diese Schätze in Österreich gibt 🙂