Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

Nicht alles schlucken…

…und wenn, dann richtig. Hier geht es nicht um Wein und die besten Jahrgänge, sondern um Nahrungsergänzungsmittel. Waren wir Deutschen bislang doch eher zurückhaltend, wenn es ums Supplementieren ging, hat sich das seit Corona deutlich gewandelt.
Das Statistische Bundesamt (Destatis) veröffentlichte am 8. Juni dieses Jahres eine erstaunliche Zahl: Im Jahr 2020 wurden in Deutschland rund 180.200 Tonnen Nahrungsergänzungsmittel produziert, knapp 11 Prozent mehr als im Vorjahr. Und die wurden weitestgehend auch konsumiert. Laut einer Umfrage von „Statista Global Consumer Survey“ nehmen nur 30 Prozent der Deutschen keine Nahrungsergänzungsmittel ein. Am beliebtesten sind Vitamine (53 Prozent) und Mineralien (33 Prozent). Dahinter folgen Proteine, die jede:r fünfte der Studien-Teilnehmer:innen zusätzlich auf seiner Liste hatte.

Das Prinzip Hoffnung

Die Corona-Pandemie hat die Angst vor Erkrankungen geschürt. Während viele Unternehmen in Not gerieten, profitierten die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln vom gesteigerten Verbraucherinteresse an Pillen, Pülverchen und anderen Nutricosmetics. Douglas-Chefin Tina Müller, die im vergangenen Jahr europaweit 2.400 Filialen der Parfümeriekette geschlossen hat und herbe Umsatzeinbußen einstecken musste, bezeichnete im Handelsblatt Nahrungsergänzungsmittel als einen Hoffnungswert für ihr Unternehmen. Sie sagte, die Kunden säßen „erzwungenermaßen zu Hause“ und hätten „mehr denn je großes Interesse“ an Pflegeprodukten und insbesondere an Nahrungsergänzungsmitteln. Und Bayer-Chef Werner Baumann bestätigte, dass die Nachfrage „bei bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln, die die Gesundheit unterstützen, derzeit drei- bis fünfmal so hoch wie üblich“ sei.
Nahrungsergänzungsmittel Modepilot
Pulver & Pillen: Nicht alle Nahrungsergänzungsmittel sind notwendig
Und Supplement-Verwender sind treue Kunden. Die meisten kaufen immer wieder nach. Oft steckt ein nicht unerheblicher psychologischer Effekt dahinter. Denn nimmt man die Produkte einige Zeit lang, bekommt man schnell ein schlechtes Gewissen, wenn man plötzlich damit aufhört. So ähnlich ist es mit Kindern, die man zum Klavierunterricht nötigt, weil man selbst die Chance nicht wahrgenommen hat, es richtig zu lernen. Der Effekt, den man bei Supplements zu spüren glaubt, wie festere Nägel oder kräftigere Haare, ist oft nicht mal wirklich vorhanden, aber man fühlt sich einfach besser damit. Und hätte es vielleicht noch schlimmer kommen können, wenn man nichts eingenommen hätte? Also wird weiter geschluckt. Der Placebo-Effekt bringt nachweisbare Resultate.

Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker

Ob man nun tatsächlich Supplements braucht, wenn man sich einigermaßen gesund ernährt, sei dahingestellt. Auf die Werbung alleine, was die guten Pillen alles können, sollte man sich nicht verlassen. Wenn man schon der Meinung ist, eine Nahrungsergänzung zu benötigen, oder man ein bestimmtes Produkt einfach nur ausprobieren möchte, sollte man wenigstens vorher mit einem Spezialisten darüber sprechen, ob es auch zum persönlichen Gesundheitsprofil passt. Das kann ein Arzt sein, ein Ernährungsberater oder auch ein Fachapotheker mit der Zusatzbezeichnung Ernährungsberater. Denn ganz wichtig ist die richtige Dosierung und dass man nicht wahllos Beauty-, bzw. Gesundheitspillen einwirft und miteinander kombiniert.
Hier soll es jetzt allerdings eher um das Zeitmanagement gehen: Wann nehme ich welche Produkte ein? Lieber morgens, mittags oder abends, vor zum oder nach dem Essen? Und wenn ich mehrere Nahrungsergänzungsmittel einnehmen möchte, darf ich sie alle zusammen schlucken oder besser getrennt voneinander? Auf der Verpackung findet man oft nur eine Dosierempfehlung. Wird auf dem Beipackzettel jedoch eine Tageszeit für den Verzehr angegeben, sollte man die auf alle Fälle befolgen.

Manche Einnahme führt zu Schlafstörungen

Die Tageszeit ist insofern interessant, weil gerade Mittel, die fit machen, abends zu Schlafstörungen führen können. Dazu gehört beispielsweise Rhodiola Rosea − auch als Rosenwurz bekannt −, ein Stresskiller und natürliches Antidepressiva. Auch ein hochdosierter Vitamin B-Komplex gilt eher als anregend. Vitamin D stimuliert Serotonin (ein Wohlfühl-Neurotransmitter) und kann deshalb abends das Schlaf-Hormon Melatonin senken. Vitamin C, Magnesium und L-Tryptophan wirken dagegen beruhigend und können gut abends eingenommen werden. Zink aufgrund der besseren Verträglichkeit und Aufnahme auch auf den Abend-Plan schreiben. Probiotische Nahrungsergänzung direkt vor dem Zubettgehen und ohne Mahlzeit verzehren. Ansonsten könnten Verdauungsenzyme und Magensäure die Wirkung mindern.

Was sollte man zum Essen einnehmen und was lieber nicht?

Grundsätzlich jedoch ist die beste Tageszeit für Nahrungsergänzungsmittel tagsüber. Dann kann der Körper sie optimal verwerten, weil der Stoffwechsel auf Hochtouren läuft. Wer einen empfindlichen Magen hat, sollte sie zu einer Mahlzeit kombinieren, denn nüchtern kann es zu Magenproblemen kommen. Die fettlöslichen Vitamine A, D, E, K sowie Omega-3 brauchen Fett, damit sie gut verarbeitet werden können, also immer zum Essen konsumieren. Dabei sind schon minimale Fettmengen ausreichend, wie sie in einem ölhaltigem Salat-Dressing oder einem Gemüsegericht, das mit etwas Öl zubereitet wurde,  vorhanden sind.
Den Mineralstoff Calcium ebenfalls zum Essen einnehmen, weil dessen Aufnahme von ausreichend Magensäure abhängig ist. Eisenpräparate sollte man vorzugsweise nüchtern oder gegebenenfalls ein bis zwei Stunden nach einer Mahlzeit schlucken. Wiederum nicht auf leeren Magen, sondern eher zum Essen eingenommen werden sollten konzentrierte Ballaststoffe wie Haferkleie, Pektin, Flohsamen- und Konjak-Pulver, Heilerden generell und die Alpha-Liponsäure. Zu Ballaststoffen immer sehr viel Wasser trinken. Grundsätzlich gilt, Nahrungsergänzungsmittel nicht mit Tee, Kaffee oder Milch hinunterspülen. Solche Getränke können die Resorption von Vitalstoffen behindern.

Synergieeffekte erzielen

Die meisten Supplements lassen sich sehr gut miteinander kombinieren. Schließlich besteht eine Mahlzeit ebenfalls aus vielen verschiedenen Vitalstoffen. Bei manchen Präparaten ergeben sich auch Synergieeffekte wie bei der Kombination von Eisen mit Vitamin C, es verbessert die Verwertung von Eisen maßgeblich. Vitamin D kann vom Organismus nur in seine aktive Form umgewandelt werden, wenn Magnesium im Spiel ist. Ähnlich verhält es sich mit Kurkuma und Piperin. Das Extrakt aus dem schwarzem Pfeffer sorgt dafür, dass das entzündungsreduzierende Kurkuma bis zu 20-fach besser aufgenommen werden kann.

Manches hebt sich gegenseitig auf

Aber es gibt auch Sonderfälle, die nicht kombiniert werden können. Alpha-Liponsäure hat die Fähigkeit, Schwermetalle zu binden. Nimmt man sie gemeinsam mit einem Metall, wie z. B. Zink ein, bindet sie dieses ebenfalls. Das bedeutet nicht nur, dass man von der Zinkeinnahme nicht profitiert. Gleichzeitig hat die Alpha-Liponsäure weniger Power, um Schwermetalle zu binden. Deshalb empfiehlt sich eine zeitlich getrennte Einnahme von etwa 30 Minuten. Und das nicht nur im Abstand von anderen Präparaten, sondern auch von den Mahlzeiten, da auch sie metallische Spurenelemente beinhalten.
Gleichfalls Abstand halten sollte man bei der Verwendung von Magnesium und Calcium. In hoher Dosierung (z.B. 300 mg Magnesium und 1000 mg Calcium) können sich beide Mineralstoffe bei der Aufnahme im Darm gegenseitig beeinträchtigen.
Einfacher verhält es sich mit den Multivitaminpräparaten. Hier sind die einzelnen Vitamine und Mineralstoffe meist in moderaten Mengen enthalten. Sie decken vielleicht nur 20 bis 50 Prozent des jeweiligen Bedarfs. Das macht aber nichts, weil man mit der Nahrung ja auch noch etwas von diesen Substanzen zu sich nimmt. Deshalb sind 100 Prozent Abdeckung einer Referenzmenge, wie es oft auf der Verpackung steht, unnötig. Multivitamin-Produkte haben den Vorteil, dass sich in dieser Dosierung auch Substanzen wie Magnesium und Calcium gegenseitig kaum behindern. Erst wenn von einer Substanz sehr viel und von einer anderen wenig aufgenommen wird, hemmt der hochdosierte Stoff den niedriger dosierten.

Portionsweise aufteilen

Bei manchen Supplements macht es mehr Sinn, die Tagesdosis auf mehrere Einnahmen tagsüber zu verteilen. Denn wie bei Vitamin C und Magnesium sind die Resorptionskapazitäten des Körpers beschränkt. In zwei bis drei Einzeldosen aufgeteilt, kann der Organismus mehr davon aufnehmen. Beispiel Magnesium: Besser zweimal täglich jeweils 150 mg einnehmen als einmal 300 mg. Bei Vitamin C sind täglich drei Portionen von circa jeweils 350 mg vernünftiger als eine Einmaldosis von 1000 mg. Eine gute Lösung für hochdosiertes Eisen: Die erforderliche Dosis nur alle zwei Tage zuführen, und dabei die jeweilige Dosis auf zweimal verteilen, also morgens und abends.

Die Einnahme kann auch kontraproduktiv sein

Wissen sollte man auch, dass Medikamente dem Körper Nährstoffe entziehen können, d.h. es entstehen Wechselwirkungen zwischen bestimmten Arzneien und Vitalstoffen. Die amerikanische Buchautorin und Apothekerin Suzy Cohen hat dazu ein umfassendes Buch veröffentlicht mit dem Titel „Vorsicht Nährstoffräuber!“ Untern anderem führt sie die Kombination von Kaffee und Stimmungsaufhellern an. Ein Antidepressiva, das zum Morgenkaffee eingenommen wird, kann Zittern und Panikattaken hervorrufen. Das bekannteste Diabetes-Mittel Metformin, das neuerdings auch als Longevity-Maßnahme diskutiert wird, reduziert Folsäure und Vitamin B 12. Säureblocker, Analgetika, Antihistaminika und Blutdrucksenker hemmen das schlaffördernde Hormon Melatonin, während Zink durch antivirale Mittel und Blutdrucksenker, aber auch durch Antiazida, gegen Sodbrennen (z.B. Pantoprazol) verloren geht.
Lang ist auch die Liste an Medikamenten, die einen Mangel an dem vitaminähnlichen Coenzym Q10 zur Folge haben. Statine, also Cholesterinsenker, blockieren die körpereigene Q10-Synthese, da beide in der Leber durch ein bestimmtes Enzym gebildet werden. Vitamin K sollte man nicht einnehmen, wenn man blutgerinnungshemmende Medikamente benötigt, da es als Gegenspieler fungiert. Der Körper bildet in der Leber Gerinnungsfaktoren, z.T. nur in Gegenwart von Vitamin K. Soll eine Verzögerung der Blutgerinnung erreicht werden, ist eine Zufuhr von Vitamin K kontraproduktiv. Auch die Anti-Baby-Pille kann zu einem Nährstoffmangel führen. Sie erhöht den Bedarf an Folsäure, den B-Vitaminen (B1, B2, B6, B12) und Vitamin C. Außerdem wird die Aufnahme von Magnesium und Zink beeinträchtigt.
Drum merke: Es ergibt durchaus Sinn, sich medizinische Rückendeckung zu holen, bevor man sich für ein Nahrungsergänzungsmittel entscheidet.
Mehr von unserer Autorin Margit Rüdiger lesen Sie jeden Freitag hier auf MODEPILOT.de – Ihre bisherigen Kolumnen gibt es hier >>> und mehr auf ihrem Blog Culture & Cream (>>>) Fragen, Wünsche, Feedback? Sie erreichen unsere Kolumnistin unter beautypro[@]modepilot.de
Photo Credit: Augustinus Bader
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