Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

Was sind eigentlich Peptide?

In Kosmetikprodukten stößt man immer wieder auf den Begriff „Peptide”. Sie tragen so schwierige chemische Bezeichnungen wie „Tetra-”, „Hexa-” oder „Oligopeptide”. Glaubt man der Werbung, sollen sich dahinter wahre Power-Moleküle verbergen, die Falten glätten, die Haut straffen und auffrischen. Wie funktionieren sie wirklich?
„In erster Linie helfen Peptide die kollagenen und elastinen Fasern zu bilden, die sich überall in unserer Haut befinden. Es sind kurze Ketten von Aminosäuren, die dem Körper sagen, dass er mehr Kollagen produzieren soll.” So erklärt Ron Robinson, mein Lieblings-Kosmetik-Chemiker in New York, der auf jede Beauty-Frage eine Antwort hat, das Phänomen der Peptide. Verstanden. Peptide sind also so etwas wie Messenger, kleine Boten, die Nachrichten überbringen. In diesem Fall signalisieren sie den Zellen, den natürlichen Regenerationsprozess der Haut zu starten.
Aber warum gibt es so viele unterschiedliche Peptide? Auch darauf hat Robinson eine Erklärung parat. „Da Peptide aus bis zu 50 Aminosäuren zusammengesetzt sind, sind sie unglaublich wandelbar. Alles, was man tun muss, ist eine Aminosäure hinzufügen, wegnehmen oder ersetzen, und schon hat man ein neues Peptid geschaffen, das wieder neue Funktionen erfüllt.” Das kann dann hautglättend oder stärkend sein, es kann anti-inflammatorisch wirken oder die Feuchtigkeit länger in der Haut halten.

Ketten-Reaktion

Um noch etwas mehr in die Tiefe zu gehen: Proteine wie zum Beispiel Kollagen bestehen aus Ketten von Peptiden, und diese wiederum aus Aminosäuren. Es gibt hunderte von Peptiden und jedes Peptid wird aus einer Kombination von Aminosäuren gebildet. Werden Peptide auf bestimmte Weise kombiniert, bilden sie Proteine. Proteine wiederum setzen sich aus einer oder mehreren Polypeptidketten zusammen. Die Länge dieser Ketten kann dabei von circa 40 bis zu über 4.000 Aminosäuren variieren. Von dem einen Peptid zu sprechen, wäre falsch. Peptide sind eher eine ganze Gruppe mit verschiedensten Aufgaben und Funktionen.
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Von den vielen Peptiden werden in der Hautpflege häufig Tetrapeptide (sie besitzen vier Aminosäuren) und Hexapeptide mit sechs Aminosäuren eingesetzt. Beide erfüllen aufgrund ihres speziellen chemischen Aufbaus die unterschiedlichsten Aufgaben: Hexapeptide können hartnäckige Mimikfältchen mindern, während Tetrapeptide Elastizität und Straffheit der Haut fördern. Allgemein als Polypeptid werden Moleküle eingeordnet, die mindestens zehn Aminosäuren aufweisen. Kürzere Polypeptide werden als Oligopeptid bezeichnet. Die einzelnen Aminosäuren sind durch sogenannte Peptidbindungen verbunden. Diese erforschte übrigens 1902 der deutsche Chemiker und spätere Nobelpreisträger Emil Fischer.

Peptid statt Botox

Zu den bekanntesten Oligo-, bzw. Hexapeptiden gehört Agireline (INCI-Bezeichnung: Acetyl-Hexapeptide 3), dem eine Botox-ähnliche Wirkung nachgesagt wird.
Auf die Haut aufgetragen sollen sie die Kontraktion der Gesichtsmuskulatur hemmen. Zwar nicht so extrem und nachhaltig wie Botox. Dennoch haben Wissenschaftler festgestellt, dass Agireline die Faltentiefe um bis zu 30 Prozent reduzieren können.
Als Faltenkiller gelten auch die Peptide mit dem komplizierten Namen „Dipeptide Diaminobutyroyl Benzylamide Diacetate”. Aber sie können noch mehr, weil sie die Haut zudem geschmeidiger und softer machen. Glutathion, ein Tripeptid, wird in der Hautpflege gern als effektiver Radikalfänger eingesetzt. Auch Aquaporine, die immer häufiger auf den Beipackzetteln von Kosmetika aufgeführt werden, bestehen aus Peptidbindungen. Es sind Proteine, die Kanäle in der Zellmembran bilden, um den Durchtritt von Wasser und einigen weiteren Molekülen zu erleichtern und eine Befeuchtung in tieferen Hautschichten zu ermöglichen. Sie werden daher auch Wasserkanäle genannt.

Baustein der Natur

Peptide finden sich in den Zellen von Tieren, Pflanzen und Menschen. Bei Pflanzen nehmen sie beispielsweise eine Rolle als Botenstoff ein und halten den Signalaustausch am Laufen. Bei uns Menschen finden sich die Eiweiße unter anderem in der Haut. Sie sind deren zweitwichtigster Bestandteil – nach dem 70-prozentigen Wassergehalt. Für Hautpflegeprodukte werden vorwiegend biotechnologisch hergestellte Peptide verwendet. Aber es gibt auch naturidentische, also im Labor nachgebaute, sowie natürliche Varianten wie Reis-, Thymus- oder Colostrum-Peptide. Die in der Thymusdrüse enthaltenen Peptide besitzen sogar die Power den Haarwuchs anzukurbeln. Sie unterstützen die Bildung neuer Haarzellen und verlängern die Wachstumsphase der Haare. Allerdings dürfen die kahlen Stellen nicht älter als drei Jahre sein, sollen diese Peptide den Haarwuchs zu neuem Leben erwecken. Die Wirksamkeit ist in mehreren klinischen Studien bereits belegt.
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Auf den Mix kommt es an

In der Tat sind Peptide besondere Wirkstoffe, aber sie haben keine Wunderkräfte, wie manche Firmen behaupten. Und ein einzelnes Peptid bewirkt noch keine super Haut. Erst die Kombination mit anderen Aktivstoffen macht sie stark. Perfekte Partner für Peptide sind Substanzen wie Vitamin A, C, E, Pro-Vitamin B5, Antioxidantien, Hyaluronsäure, u.ä.
Das Problem ist nur, dass der Wirkstoff-Mix sehr tief in die Haut eindringen muss, um eine effektive Wirkung zu erzielen. Dagegen setzt sich der natürliche Selbstschutzmechanismus der Haut zur Wehr, der sie vor Eindringlingen schützen will, auch wenn diese der Haut nur Gutes tun wollen. Nur diejenigen, die technologisch mit einem Carrier (Trägersystem) gekoppelt werden, können den hauteigenen Abwehrmechanismen entgehen und tatsächlich in die spezifischen Schichten gelangen. Spart sich der Hersteller diesen Carrier, können die Peptide die versprochene Wirkung nicht erfüllen.
Das Gleiche gilt für zu geringe Dosierungen aus Kostengründen, da Peptide zu den teuersten Kosmetikrohstoffen zählen. Der Anti-Aging-Effekt ist leider (noch) nicht wissenschaftlich belegt, da es an Langzeitstudien und Forschung fehlt. Dennoch gilt es als erwiesen, dass hochwertige peptidhaltige Produkte die Haut jünger und frischer aussehen lassen. Prof. Martina Kerscher vom Studiengang „Kosmetikwissenschaft” der Universität Hamburg behauptet sogar: „Studien zeigen, dass Peptide so wirksam sind wie Retinol und dass sie gerade von Menschen mit sehr empfindlicher Haut deutlich besser vertragen werden.” Aber wie bei jedem Kosmetikprodukt kommt es auch hier auf eine regelmäßige und kontinuierliche Anwendung an, weil sich sonst der ursprüngliche Hautzustand bald wieder einstellt.
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Photo Credit: Catwalkpictures
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