Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

Doctor Brands – Ein Arzt spricht Klartext

Von Medizinern entwickelte Hautpflege-Produkte, 'Doctor Brands' genannt, feiern einen Hype. Die Produkte versprechen eine hohe Wirksamkeit und optimale Verträglichkeit. Die Konsumenten greifen begierig zu. Wenn schon Hautärzte und andere Mediziner mit ihrem eigenen Namen dahinter stehen, mag man denken, spricht das für besondere Glaubwürdigkeit, profundes Wissen und Qualität. Da macht es auch nichts, wenn eine Ärztin, deren Skincare-Linie besonders gehypt wird und sogar in Hollywood für Furore sorgt, eigentlich Orthopädin ist. Hauptsache ein Doktor-Titel ziert die Fläschchen und Tiegel. Und am besten shoppt man gleich die komplette Beauty-Linie, weil die wenigen, aber hochwertigen Inhaltsstoffe ja schließlich perfekt aufeinander abgestimmt seien – So lautet ein häufiges Verkaufsargument. Da stellt sich mir schon lange die Frage:

Humbug oder Heilung?

Dem wollte ich nachgehen. Einer, der es wissen muss, ist Michael Prager. In Deutschland geboren, 1995 in Tübingen graduiert, praktiziert er seit 2001 in seiner Londoner Privatklinik Schönheit einen ganzheitlichen Ansatz von Age-Rejuvenation. Klar spritzt auch er Botox und Dermal-Filler wie Hyaluronsäure. Doch er gehört zu den Pionieren eines natürlichen Looks. ‘Frozen face’ stereotype Resultate gab es bei ihm nie. Sein subtiler und ästhetischer Umgang mit den non-invasiven Verjüngungsmethoden hat ihm den Beinamen ‘Karl Lagerfeld of injectables’ eingebracht.
Michael Prager Modepilot Interview
Michael Prager vor seiner Praxis in London
In den letzten fünf Jahren hat Prager sich auf die Entwicklung einer eigenen Pflegelinie fokussiert, die sich auf die Schäden der Haut konzentriert, die durch Pollution entstehen. Denn diese Partikel sind 20 mal kleiner als die Hautporen, dringen bis in die tiefen Schichten der Epidermis vor und verursachen vorzeitiges Altern, Elastizitätsverlust und inflammatorische Reaktionen. Doch die Kosmetik-Industrie will uns immer noch weiß machen, dass wir jünger aussehen, wenn wir vor allem Linien und Falten bekämpfen. Das ist einfach nicht wahr, findet auch Prager.
In einem Interview, das er der britischen Tageszeitung „The Telegraph“ gab, brachte er mit seinem typisch britischen Humor einen treffenden Vergleich. „Wenn ich einen Pub hätte und jemand käme rein und würde einen Smoothie verlangen, würde ich mein Bestes tun, um ihn zu überzeugen, dass er eigentlich ein Bier wollte.“ Michael Prager ist Arzt, gilt als Visionär und Revolutionär – Und er scheut sich nicht zu sagen, was wirklich Sache ist:

Warum haben Sie auch noch eine Doctor Brand entwickelt. Gibt es nicht schon genug auf dem Markt?

Wir wissen, dass Sonnenschutz alleine nicht mehr ausreicht. Die toxischen Aggressoren aus der Umwelt zu bekämpfen, sollte das Hauptziel der täglichen Hautpflege-Routine sein. Aber als ich mich auf dem Markt umsah, welche Anti-Pollution-Produkte verfügbar waren, habe ich keines gefunden, das ich auf meiner eigenen Haut haben wollte. Deshalb beschloss ich, Prager Skincare zu entwickeln.
Was können Doctor Brands eigentlich besser als herkömmliche Kosmetik?
Steht ein Doktor auf dem Label, erwartet man, dass er da selbst dahintersteckt und seine Erfahrung einbringen kann und einen holistischen, gesundheitsfördernden Ansatz hat. Wie weit das der Fall ist, kommt auf den Einzelnen an. Frau Sturm macht nur dicke Doktor-Backen, aber lässt ihre Produkte angeblich bei Babor produzieren. Eine Doctor Brand sollte Integrität besitzen, sauber sein, sich auf Wirkstoffe und den Verzicht auf bekannte Allergene und Schadstoffe konzentrieren. Man könnte meinen, Doctor Brands sollten eher weniger luxuriös, dafür aber gesünder sein. Das stimmt leider so nicht oft. In meinem Fall können wir als eine kleine Marke ohne Rücksicht auf Produktionskosten unsere Kosmetik produzieren, die dabei nach meinen eigenen Kriterien zusammengestellt wurde. Vielleicht hilft es auch, wenn man einen Background in der Forschung und der Dermatologie hat.
Soll man stets alle Produkte aus einer Pflegelinie verwenden oder darf man mischen?
Generell sollte man so wenig Produkte wie möglich verwenden, Schlagwort Stewardessen-Syndrom. Das bedeutet Hautreaktionen, die durch zu viel Kontakt mit Kosmetika und den darin enthaltenen allergenen Substanzen entstehen. Ich persönlich mische auch, meistens mit Weleda.
Welche Inhaltsstoffe könnten sich gegenseitig negativ beeinflussen, wenn man Produkte aus verschiedenen Linien benutzt?
Retinol in hoher Konzentration macht die Haut sensibel und kann in Kombination mit den typischen Parfum- und Konservierungsstoffen sowie Mikroplastik, die in den meisten Produkten enthalten sind, leichte Allergien oder Irritationen auslösen.

Eigentlich braucht die Haut nicht so viel

Wie viele Produkte braucht eine gesunde Haut überhaupt?
Vitamin C als Antioxidant, Öl oder Moistrurizer, Sonnenschutz, vielleicht noch eine Peeling mit Fruchtsäuren (AHAs). Das war’s auch schon. Und natürlich einen Cleanser. Ich selbst verwende keinen SPF, sondern nur Antiox und Öl.
Ist Augencreme eine reine Marketingstrategie oder braucht man sie wirklich?
Die Haut unter dem Auge ist hauptsächlich auch Haut.... Das heisst: Klar, die Empfehlung zur Augencreme ist völlig dem Marketing entnommen.
Können Anti-Aging-Produkte wirklich was oder sind sie Mogelpackungen?
Mit einem guten Antioxidant-Serum kann die Haut bis zu achtmal länger UV-Strahlung vertragen als ohne SPF. Und die von der EU erlaubte Konzentration von maximal 10 Prozent Vitamin C ist definitiv lebensverlängernd für eine gesunde und schöne Haut.

Pflegen wir uns überhaupt zu viel?

Nee, nur mit zu vielen Produkten, die eigentlich nur Schaden für Nutzer und Umwelt anrichten. Wenn wir alles mit Plastik erstmal ausklammern, dann wird es schon eng, es bleibt nicht viel übrig. Der Rest ist schon fast unbedenklich. Die Frage, ob es was bringt, bzw. ob wir tatsächlich die Hautgesundheit fördern, steht auf einem anderen Blatt.
Welches ist der wichtigste und wirklich unerlässliche Step in der Hautpflege?
Die Reinigung mit einem Cleanser, um die Pollution abzuwaschen. Außerdem ein Antioxidant als Maximal-Schutz und ein Öl als UV/Pollution-Protektion.

Kann man Haut mit einer Creme reparieren?

Gibt es so etwas wie Botox in a Jar?
Nee, Kosmetik kann eigentlich nicht reparieren. Sie kann eher vorbeugen und Schaden verhindern wie die Kombination aus Vitamin C-Serum und Day Oil. Die meisten Vorher/Nacher-Super-Wundercremes sind auf Silikonbasis – alles nur Schminke.
Kann die Haut süchtig werden nach Seren, Masken & Co., bzw. was würde passieren, wenn man alles weglässt außer UV-Schutz in der Sonne?
Nimm pures Arganöl. Das macht alles und mehr, ohne Nebenwirkungen.
Welche Produkte benutzen Sie selbst?
Mein Antioxidant Serum, das Day Oil mit Gold, wenn ich in der Sonne bin und auch in London. Das Night Oil mit Retinol, wenn ich mich in sauberer und weniger UV-belasteter Umgebung aufhalte. Waschen/Shampoo von Weleda. Haarpflege mit Arganöl.
Kathrin hat mit Michael Prager übrigens auch einen Podcast aufgenommen >>>

Linie 'Urban Protect' von Dr. Michael Prager, über net-a-porter.com

 
Möchtet Ihr mehr von Margit lesen? Margit schreibt auf ihrem Blog Culture and Cream >>> auch über ihre Reisen – sehr empfehlenswert!
Photo Credit: Taran Wilku für Michael Prager, Prager Skincare
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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