Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

Plastikfreies Badezimmer

Beim Nachdenken über diese Kolumne ist mir erst einmal aufgefallen, wie viel Plastik man – oder präziser ich – immer noch in seinem Badezimmer anhäuft. Dabei bin ich alles andere als ein Umweltsünder. Ich trenne Müll, nehme keine Plastiktüten im Supermarkt und vermeide auch bei Toilettenartikel weitgehend Plastik. Dachte ich zumindest. Dennoch ist mein Badezimmer noch lange keine plastikfreie Zone. Ramadama (hochdeutsch = „räumen tun wir“) – wie es im Bairischen heißt, ist angesagt.
Zwischen vier und 13 Millionen Tonnen Verpackungsmüll aus Plastik gelangen jährlich ins Meer, schreibt der WWF auf seinem Blog blog.wwf.de. Rausfischen lässt er sich nicht mehr, und das Material ist besonders langlebig. Plastik braucht mehrere hundert Jahre, bis es sich zersetzt. So viel Zeit bleibt nicht, denn die Weltmeere gehören mittlerweile zu den dreckigsten Orten der Welt. Wahre Plastikmüll-Tsunamis aus Tüten, Flaschen, Strohhalmen und Zahnbürsten überschwemmen die Strände. In jedem Quadratkilometer Meer schwimmen heute schon 46.000 Teile Plastikmüll. Sie stammen nicht nur von Kreuzfahrt- und Containerschiffen, die ihren Müll verbotenerweise ins Meer kippen. Oder Strandbesucher, die ihre Kunststoffabfälle liegen lassen oder gleich ins Wasser werfen.
Fine Modepilot plastikfreies Badezimmer
Eine plastikfreies Badezimmer ist auch schöner – Produkte von Fine

Design vor Umwelt

Wer denkt schon daran, dass die Umweltverschmutzung schon zu Hause in unserer Waschmaschine beginnt. Kunstfasertextilien verlieren bei jedem Waschgang etwa 2.000 winzige Fasern, die weder im Sieb der Maschine noch in Kläranlagen hängenbleiben. Sie gelangen ungehindert ins Meer. Hinzu kommen Millionen Mikroplastikpartikel aus Reifenabrieb, Kunststofftextilien oder Kosmetika wie Peeling, Zahncreme, Duschgel, Kontaktlinsenreiniger, die über Flüsse weiter transportiert werden. Und dann wären da noch die vielen Plastikverpackungen, die es zu entsorgen gilt. Die Prognosen sind düster. Unternehmen wir nichts, wird es 2050 mehr Plastik im Meer geben als Fische. Bis dahin könnte fast jeder Meeresvogel das für ihn oft tödliche „Futter“ im Magen haben.

Aber wir recyceln doch?

Schon, aber nicht jedes Plastik ist recycelbar – oder wird recycelt. Vom gesamten Plastikmüll werden laut Ministerium rund 45 Prozent „stofflich wiederverwertet”, also nicht verbrannt. Das neue Verpackungsgesetz erhöht ab 2019 die Quoten, 2022 sollen es 63 Prozent sein. Doch viel zu oft noch geht Design vor Umwelt. Die schwarz eingefärbte Waschmittelflasche, die folienummantelte Shampoo-Flasche sehen zwar gut aus. Aber das erschwert oder verhindert gar das Recycling, weil die Maschinen das Material nicht erkennen und sortieren können. An erster Stelle muss deshalb die Vermeidung von immer mehr Plastik-Müll stehen.

Plastik: fest oder flüssig

Glücklicherweise werden wir Verbraucher mehr und mehr sensibilisiert für das Thema. Wobei Deutschland eher noch rückständig ist. Wer bei uns sicher gehen will, dass er plastikfreie Kosmetik kauft, muss die Produkte eines Labels für kontrollierte Naturkosmetik wie z. B. NaTrue oder BDIH verwenden. Ansonsten gilt: „In vielen Pflegeprodukten befinden sich Plastikstoffe, entweder in Partikelform oder flüssig“, so Birgit Corall, Inhaberin der beiden Linien „cobicos" und „Living Nature“. „Selbst wenn ein Produkt mit ‚microplastic-free‘ gelabelt ist, kann es noch immer flüssiges Plastik enthalten“, bestätigt auch Lotte Isenkopfa, die mit ihrer Marke Madara aus Riga schon immer ein Vorreiter an umweltfreundlicher Pflege und Verpackung war. Wer selbst auf Plastik-Spurensuche bei seiner Kosmetik gehen möchte, wird sich nicht leicht tun. Die Namen der Inhaltsstoffe, die als sogenannter „Plastikstoff“ gelten, sind so unaussprechlich wie unbekannt. Hier nur einige davon:
- Polyquaternium-7
- Styrene /Acrylat Copolymer
- Acrylate Copolymer (AC)
- Acrylate Crosspolymer (ACS)
- Dimethiconol
- Methicone
- Polyamide (PA, Nylon)
- Polyacrylate (PA)
- Polymethylmetacrylate (PMMA)
- Polyquaternium (PQ)
- Acrylates Crosspolymer
Verpackung ist eine weitere große Quelle für Plastikvermüllung. Die meisten Kosmetikfirmen verwenden immer noch Kunststoffverpackungen, die nicht recycelt werden können, wie ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymere) oder SAN (Styrol-Acrylnitril-Copolymer). Lotte Isenkopfa: „Zu den recycelbaren Materialien gehören z. B. PET und HDPE. Auch Glass und Aluminium sind fein.“ Neu sind pflanzenbasierte Verpackungen, wie sie auch Madara verwendet, die im Laufe des Produktlebens bis zu 40 Prozent weniger CO2-Emission produzieren als herkömmliche Tuben. Der US-Konzern Aveda nutzt für seine Flaschen 80 Prozent PCR (aus Milchflaschen), in der Männerlinie sind es sogar 95 Prozent. Das bedeutet eine jährliche Einsparung von über 300 Tonnen „jungfräulichen“ Plastiks.

Plastikfreies Badezimmer: Jetzt wird ausgeräumt

Beginnen wir bei den Tools im Badezimmer: Zahnbürsten sind ein riesiger Faktor. In den USA werden jährlich 850 Millionen weggeworfen, bei uns sind es ungefähr 332 Millionen. Bambus steht als Plastikersatz an erster Stelle. Denn er zählt zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen auf der Welt. Zahnbürsten aus Bambus sind von den Borsten über den Griff bis hin zur Verpackung plastikfrei und abbaubar. Bambus wird auch für Haarbürsten verwendet, die damit nicht nur plastikfrei, sondern auch antibakteriell wirken und damit der Kopfhaut nützen. Auch bei Wattestäbchen ist Bambus ein Segen, da die Plastikvarianten zu oft an Stränden landen und von Meerestieren verschluckt werden. Zu den umweltfreundlichen Eco-Tools gehören auch Makeup-Pinsel aus recyceltem Aluminium und Plastik, verpackt in Papier aus 20 Prozent Baumwolle und 80 Prozent Bambus. Kein Baum musste dafür gefällt werden. Von Bambusliebe verwendet Kathrin nun seit fast einem Jahr waschbare Abschmink-Pads, die das Make-up besser entfernen als jeder Makeup-Entferner.
Plastikfreies Badezimmer Modepilot Madara
Plastikfreies Badezimmer: Die grüne Tube von Mádara wird aus Zuckerrohrabfällen hergestellt
Zahnseide ist meist nicht nur in Plastik verpackt. Der Faden besteht aus Nylon oder einem Plastik-Seide-Mix. Alternativen gibt es aus Wachs und reiner Seide in einem kleinen Glasbehälter. Plastikrasierer lassen sich ganz einfach durch die klassischen Modelle aus rostfreiem Stahl ersetzen. Sie sind nicht nur umweltfreundlicher, sondern sparen auch Geld, weil nur die Klingen von Zeit zu Zeit ersetzt werden müssen. Länger haltbar und später kompostierbar sind Loofah-Schwämme und Körperbürsten aus Bambus statt der Rubbelhandschuhe aus Kunstfasern. Toilettenpapier wird zwar bereits oft in Eco-Version angeboten, steckt dann aber manchmal doch in einer Plastikhülle. Beim Kauf darauf achten, ob diese recycel- oder abbaubar ist. Nicht zuletzt kann man statt des Plastik-Duschvorhangs einen aus Hanf oder dünner Jute aufhängen. Beide sondern keine toxischen VOCs (flüchtige organische Verbindungen) ab und lassen sich außerdem leicht nach eigenem Geschmack einfärben – Textil Öko-Farben verwenden.

…und jetzt zur Pflege

Feuchttücher sind praktisch und werden gerne als ‚wegspülbar‘ vermarktet. Doch durch die enthaltenen Kunststofffasern dauert es viel zu lange, bis sie sich abbauen. Deshalb sollten sie niemals in der Toilette landen, sondern im Restmüll. Eine Untersuchung in Großbritannien ergab, dass Feuchttücher der Hauptgrund für verstopfte Abwasserkanäle sind und zu mehr als 90 Prozent die sogenannten „Fettberge” verantworten. Das sind riesige, festsitzende Ablagerungen im Abwassersystem. Wenn schon, dann biologisch abbaubare und kompostierbare Tücher verwenden, die aus nachwachsenden Pflanzenextrakten ohne Chemikalien oder Parfumstoffen hergestellt werden.
Am nachhaltigsten reduzieren waschbare Seiftücher aus Bio-Baumwolle den Müll. Allerdings sollte man sich jeden Tag ein frisches Tuch gönnen. Null Müll produziert man auch, wenn man sein Makeup mit den Händen anstelle eines Schwämmchens aufträgt. Das hat noch dazu einen optischen Vorteil, wie Lotte Isenkopfa aufzeigt: „Die Wärme der Hände trägt dazu bei, dass sich das Produkt besser in die Haut einblendet und das Finish besonders natürlich aussieht.“ Zum Zähneputzen muss es nicht die Paste aus der Plastiktube sein. Inzwischen gibt es Pulver oder Tabletten, die man erst zerkaut. Beides kommt in feste Papiertüten verpackt oder in nachfüllbaren Aluminiumflaschen. Es sind weder Bindemittel noch Konservierungsstoffe enthalten. Zugegeben – man muss sich an die neue Konsistenz erst mal gewöhnen.

Von flüssig zu fest

Von der Verpackung bis zur Formulierung werden Seifen im Vergleich zu Duschgelen vom Pflegeaspekt immer besser. Die Pariser Kosmetikbrand Cosmydor (cosmydor.paris) verfolgt eine strikte No-Plastik-Politik. Ihre kalt verarbeiteten, pflegenden Seifenstücke bestehen aus pflanzlichen Ölen und Glycerin mit dem zarten Duft von essentiellen Ölen. Umhüllt sind sie von hübsch bedrucktem Papier. Deos findet man inzwischen im Glastiegel oder in Hülsen aus festem Papier: finecosmetic.deAuch zum Haarewaschen kommen immer mehr Seifenstücke auf den Markt. Damit ging es mir anfangs ähnlich wie mit den Zahnpasta-Pülverchen. Gut zurecht komme ich, bzw. meine Haare, mit Christophe Robins Hydrating Shampoo Bar. Das Seifenstück in der Papierbox ist sulfatfrei, enthält Aloe vera und verschiedene feuchtigkeitsspendende Öle wie Rizinus, Kokos- und Olivenöl. Ich verwende es wie Körperseife: Haare und Seife anfeuchten, dann damit die Kopfhaut massieren und aufschäumen. Probieren geht schließlich über studieren. Und wenn es der Umwelt nützt, umso besser!
Photo Credit: finecosmetic, Mádara
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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