Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

Macht personalisierte Kosmetik wirklich so viel schöner?

Es hört sich schon sehr luxuriös an: personalisierte Kosmetik, also eine Creme, die nur für mich gemacht wurde. Ein Serum, auf dem der eigene Name steht oder ein Parfum, das kein anderer trägt. „Meins-Effekt“ nennen es die Marketingleute. Klingt nicht nur teuer, sondern ist es auch. Aber lohnt es sich wirklich?
Jetzt kann man natürlich dagegen halten. Wenn ich nicht die geeignete Klamotte von der Stange kriege, gehe ich ja auch zur Schneiderin. Nur von einem Kleidungsstück hat man länger etwas, während Kosmetik mehr oder weniger schnell aufgebraucht ist. Der Markt scheint auf jeden Fall da zu sein, denn immer mehr Marken – vor allem in den USA – bieten inzwischen „customized” oder „made-to-measure Beauty” an. „Wer mit anderen Produkten Probleme hatte und nie das Richtige gefunden hat, kann davon profitieren“, sagt der Münchener Dermatologe Dr. Timm Golüke, schränkt aber auch gleich ein, dass dem eine fachmännische Hautdiagnose vorangehen muss.
Bellari-Modepilot-personalisierte Kosmetik
Personalisierte Kosmetik, welche Wirkstoff-Kombinationen für welche Haut am besten ist, lässt sich pauschal nicht sagen.

Kaum einer kennt seinen eigenen Hauttyp

„99 Prozent kennen ihren Hauttyp nicht“, weiß er aus seiner Praxis. Dass Kosmetikerinnen und Hautärzte vor einer Behandlung Hautzustand, Feuchtigkeitsgehalt, Pigmentierung und Faltentiefe bestimmen, inzwischen sogar mit Hightech-Geräten, kennt man. Aber neuerdings werden sogar unsere Gene einbezogen, um zielgenaue Pflegeprodukte mit entsprechenden Empfehlungen erstellen zu können. So ein DNA-Test liefert wesentliche Informationen zum Alterungsprozess, was Straffheit und Elastizität, Hautschäden, Falten durch Glykation (Verzuckerung der elastischen Fasern) und freie Radikale sowie Empfindlichkeit und Entzündungen angeht. Er zeigt genau auf, in welcher dieser Kategorien die Haut schwächelt. Eine von drei Frauen besitzt beispielsweise eine genetische Disposition, die den Kollagenabbau beschleunigt. Dadurch verliert die Haut vorzeitig an Straffheit und Elastizität. Mit Hilfe der Testergebnisse soll man das Problem bereits angehen können, bevor es sichtbar wird.

Das Wissen aus der Mundschleimhaut

Entwickelt hat den Test, der mittlerweile auch in Deutschland erhältlich ist, der australische Beauty-Konzern SkinDNA (skindna.com.au), indem 15.000 DNA-Proben von Menschen unterschiedlichen Hauttyps untersucht wurden. Will man den Test machen, muss man mittels einer Art Hightech-Spatel, DNA-Sammler genannt, einen Abstrich aus der Mundschleimhaut an der Wangeninnenseite entnehmen lassen. Im Labor in Sydney wird daraus der genetische Code der Haut ermittelt und 16 Marker ausgewertet, die mit dem Alterungsprozess in Verbindung stehen. Der zehnseitige Bericht, den man rund zwei Wochen später zugeschickt bekommt, bespricht man am besten mit seinem Dermatologen. Für 280 Euro gibt es zum Testergebnis Empfehlungen für typgenaue Pflegewirkstoffe und Nahrungsergänzungsmittel sowie Vorschläge für professionelle Treatments. Entsprechende Produkte, zu denen der Arzt rät, zahlt man on top.

Skincoaching auf DNA-Basis

Mehr als 1.000 Unternehmen tummeln sich mittlerweile in diesem Markt laut Schätzung des Zukunftsinstituts. Einige davon liefern bereits zum Genprofil die passenden Produkte. Zu den preislichen Spitzenreitern gehört das Schweizer Unternehmen Suisse Life Science mit einem DNA-basierten Coaching. Die personalisierten Produkte kommen direkt ins Haus. Per App kann man das passende Fitnesstraining abrufen, und bei Sonne erinnert sie an den Lichtschutz und ermittelt gleich die individuell optimale Stärke. Das Ganze hat seinen Preis: 1.700 Euro inklusive Produkte für zwei Monate.
Am wenigsten vertrauenswürdig erscheinen Konzepte, bei denen der Klient allein auf sich gestellt, sich durch einen Online-Fragebogen klicken soll, und dort seine Haut selbst einstufen muss. Wie schon Dr. Golüke bestätigte, kennen nur die wenigsten Menschen ihren Hauttyp. Hinzu kommt, dass dessen Zustand ja nicht in Stein gemeißelt ist und so vielen Faktoren unterliegt, dass er sich häufig ändern kann. Dr. Sonja Sattler, Leitende Ärztin der Bellari Medical Beauty Praxis, sagt: „Auch eine customized Pflege muss man ständig anpassen, eigentlich alle zwei Monate.“

Für personalisierte Kosmetik lieber dem Hautprofi vertrauen

Fraglich ist, ob Beauty-Produkte, die auf einem Gentest basieren, wirklich so viel effektiver sind. Vor allem, wenn man einen guten Dermatologen an der Hand hat. Beispielsweise vertreibt die französische Marke Universkin ihre Produkte ausschließlich über Ärzte. Anhand eines Anamnesebogens, der über 50 Fragen zu Hautproblemen, Allergien, Erkrankungen und Lebensstil beinhaltet, ermittelt der Dermatologe die individuellen Bedürfnisse der Haut. Aus 20 hochkonzentrierten Aktivstoffen wählt er diejenigen aus, die dem aktuellen Hautproblem gerecht werden – seien es erweiterte Poren, Couperose, Akne, Pigmentflecken oder einfach fettige Haut. Die passende Pflege wird direkt vor Ort für jeden Patienten frisch gemischt. „Damit habe ich die besten Erfolge“, bestätigt Dr. Sonja Sattler. „Das Konzept mit Genanalyse finde ich überzogen. Die Haut ist ja sozusagen ein Schlauch, der passt sich an die Umgebung an. Wenn man im Sommer in die Sonne geht, wird sie dicker und dunkler. Im Winter und in geheizten Räumen wird sie trockener.“
Bellari-personalisierte Kosmetik Modepilot
Verschiedene Wirk-und Inhaltsstoffe von Universkin

Algorithmen können die Arbeit (noch) nicht übernehmen

Neu beim Hautarzt ist eine Maschine, die Skinceuticals entwickelt hat, und innerhalb von 10 Minuten ein personalisiertes Serum herstellt. Custom D.O.S.E. , steht für Diagnostic Optimization Serum Experience), kann mit 85.000 (!) voreingestellten Algorithmen bis zu 48 mögliche Serum-Kombinationen zubereiten. Zur Verfügung stehen bewährte Wirkstoffe wie Glykolsäure, Retinol und Niacinamid. Der Arzt gibt die mit dem Patienten ermittelten Hautparameter ein. Den Rest erledigt die Maschine. Genau daran stört sich Dr. Sattler. „Ich würde mir wünschen, dass ich als Arzt viel mehr in die Dosierung eingreifen kann. Denn wenn man aus der Dermatologie kommt, will man schon auch sein Hirn benutzen."
personalisierte Kosmetik Modepilot SkinCeuticals
Personalisierte Kosmetik von Skinceuticals

Personalisierte Kosmetik nach dem DIY-Prinzip

Wer weder Arzt noch Genforschung in seine Hautpflege einbeziehen will, kann seine Pflege trotzdem personalisieren. So hat z.B. Clinique ein System entwickelt, bei dem man je nach Hauttyp ein Basis-Produkt auswählt, in das man aus fünf bunten Kartuschen mit verschiedenen Texturen einen Booster mischt – je nachdem, ob die Haut gereizt, müde, uneben, fleckig oder knittrig ist. Bei der spanischen Beauty-Brand Sepai gibt es das schon lange. Nur sind die hochkonzentrierten Inhaltsstoffe, die unter die Pflegecreme gemischt werden, in einer Spritze verpackt. In den Kiehl's Boutiquen heißt das personalisierte Programm „Apothecary Preparations”. In einer One-on-one-Konsultation wird die Haut analysiert und zielgerecht ein Konzentrat auf Squalanbasis (aus Olivenöl) mit fünf möglichen Wirkstoffen angereichert. Zum Schluß wird das Produkt mit dem eigenen Namen gelabelt.

Zukunftsbeauty

Amerika ist schon wieder einen Schritt weiter. Noch dieses Jahr soll es von Neutrogena eine personalisierte Hightech-Sheet-Mask aus dem 3D-Drucker als Multi-Masking-Version geben. Sie ist in ihren Wirkstoffen exakt auf die einzelnen Zonen der Haut abgestimmt. Mask iD soll über die Skin360 App und den speziellen Skin Scanner funktionieren. Er wird einfach aufs i-Phone gesteckt, um damit die Haut zu scannen. „Der Schlüssel beim 3D-Print ist, dass wir bestimmte Aktivstoffe genau an die Stellen bringen, wo sie gebraucht werden anstelle einer Maske, die im ganzen Gesicht gleich wirkt“, erklärt Michael Southall, Research Director des Unternehmens.

Netflix für die Haut?

Erst seit August in den USA auf dem Markt ist das Atolla Skin Health System, deren drei Gründer aus der MIT- Talentschmiede (Massachusetts Institute of Technology) in Cambridge stammen. Die Maschine benutzt Algorithmen und übersetzt sie in ein individuelles Pflegeserum. Die online-Daten liefert der Kunde über ein „skin testing kit“, das ihm zugeschickt wird. Es besteht aus einem Fragebogen, Messstreifen für Öl-, Feuchtigkeitsgehalt und pH-Wert der Haut, dazu vier Proben, um selbst eine Basistextur auszuwählen. Alle vier Wochen wird das Serum dem Hautzustand angepasst mittels einem weiteren Test-Kit. Das kostet pro Monat 45 Dollar. Einer der Firmengründer, die Bostoner Dermatologin Ranella Hirsch, vergleicht das System mit Netflix: „Das persönliche Skin-data Profil wird Monat für Monat besser, weil der Algorithmus dazu lernt und noch exakter voraussagen kann, was die Haut als nächstes braucht.“

Die Psyche spielt mit

Unbestritten ist der Effekt, dass etwas, das speziell „nur für mich“ gemacht wurde, sich positiv auf die Psyche und damit auch auf die Haut auswirken kann. Und: Man ist auch eher konsequent in der Anwendung. Wer personalisierte Pflege verwendet, weil sie ihm ein gutes Gefühl verschafft, kann also allein schon durch eine Art Placebo-Wirkung einen Nutzen davon haben. Nur, wer sich den „Meins-Effekt“ teuer erkauft, nur um damit zu zeigen, ich kann es mir leisten, wird sein Selbstwertgefühl damit genau so wenig steigern können wie mit einer Hermès Bag.
Photo Credit: Bellari
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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