Designermode, Kopiervorlagen

Ist einfach kopierbare Designermode noch zeitgemäß?

Kopiervorlagen. Welchen Sinn ergibt es noch, Designermode zweimal im Jahr mit viel Tamtam und hohen Kosten zu präsentieren, wenn die vielversprechendsten Modelle aus den Kollektionen woanders Absatz finden? Bei Zara & Co. hängen sie in den Filialen, noch bevor das Original in der Boutique zu bekommen ist. Und das sehr viel preisgünstiger. Schafft sich die Designermode gerade selbst ab, wenn anstelle aufwendig zu produzierender Mode lieber einfache Kopiervorlagen erstellt werden, die dann auch noch an den teuersten Models der Welt in Szene gesetzt und digital verbreitet werden? Oder nutzen Designer die "fast fashion copies" für ihr Image, locken sie sogar an, damit es heißt: Seht her, das Kleid wurde von Zara sofort übernommen (ergo ein Trend). Zwar wird das Kleid dann kostensparend von Zara und anderen produziert und verkauft, aber die Handtasche und das Parfum kauft man bei der Schöpfermarke.
Immerhin haben Chefdesigner großer Modehäuser alle Möglichkeiten, Kleidungsstücke so zu entwerfen, dass sie sich nicht so leicht nachahmen lassen. Jeder zusätzliche Produktionsschritt macht eine günstigere Variante des Designs kompliziert bis nicht machbar: unterschiedlichste Stoffqualitäten miteinander zu vernähen, Stickereien und ein drapierter Rockteil – für 79 Euro lässt sich so etwas nicht anbieten.
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Alessandro dell'Acqua macht für Rochas den Unterschied: an solch ein anspruchsvolles Outfit trauen sich die Designteams von Zara und H&M besser nicht ran.
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Demnächst in ihrer H&M-Filiale: Hier macht es Raf Simons mit einem Entwurf für Dior den Kopisten leicht. Für die Kundin zählt hier das wiedererkennbare Muster, der einfache Schnitt. Aus welchem Material das ist? Pah! An so einem Kleid sieht man sich eh schnell satt.

Nutzen Designer ihre Differenzierungsmöglichkeiten?

Der Minimalismus, der sich in der Modewelt gefestigt hat, führte zu weniger Produktionsschritten pro Kleidungsstück – begrüßenswert für Anbieter günstiger und schneller Mode. Und damit auch für die Kundin, die im Prinzip nur noch bei COS kaufen muss.
1) Nutzen die Kopien dem Designer? Nehmen sie die Kopierbarkeit ihrer Kleider absichtlich in Kauf? Es ist ja auch ein Kompliment, kopiert zu werden. Und die Entwürfe werden durch die vielen Abbildungen und Gegenüberstellungen im Internet und als Nachahmungen in Onlineshops erst so richtig bekannt. Am Ende kauft auch die Dior-Kundin lieber ein viel besprochenes Kleid, das zum Trendteil ausgerufen wurde. Und! Käufer von Kopien nähern sich – zumindest laut einer Studie zum Thema "Fälschungen" – der Schöpfermarke als potentieller Kunde an, was sie sonst möglicherweise nicht getan hätten.
2) Welche Kundin bedient der Modeschöpfer? Haben die Kundinnen überhaupt das Bedürfnis nach ausgeklügelten Entwürfen und erlesenen Materialien? Wenn man sich manche Damen auf der Maximilianstraße und anderen Luxusmeilen ansieht, kommt man ins Zweifeln. Pelz, keine Frage, erkennen und lieben sie. Der wurde jetzt auf den Laufstegen für Herbst/Winter 2015/16 auch wieder rauf und runter gezeigt – sogar als Minikleid (bei Dior). Genau so wie Overknee-Stiefel (gibt es jetzt auch wieder von Roger Vivier – mit dem "Buckle"!). Modejournalisten konnten sie eigentlich schon nicht mehr sehen können, aber die sind ja auch nicht die große Käuferschaft. 
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Dafür muss man keine Luxusboutique aufsuchen. Look von Paco Rabanne
Die Luxus-Zielgruppe lässt sich – so scheint es – leichter mit Sex und Status gewinnen als mit Raffinesse. Das ist aber auch praktisch. So gewinnt das Luxushaus gleich doppelt: an der Kundin und an der Einsparung von Produktionsschritten. Mit der Kundin, die geschmackvoll und zeitlos kauft, macht man weniger Umsatz als mit einer, die jede Saison den neuesten Trends folgt.
Und es ist doch auch toll, wenn die Tochter bei Zara einen Rock wählt, den man sich selbst im Original bei Isabel Marant leistet. Diese parallel existierenden Röcke machen es erst möglich, sich so richtig jung und bestätigt zu fühlen. Höhö.
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Isabel Marant – die Designerin für Junggebliebene. Ihre kurzen Röcke sind das gefundene Fressen für so genannnte "fast fashion retailers."
Aber, dass man etwas über die Jahre dazugelernt hat, sollte auch eine Botschaft sein, die man als erwachsene Frau mit seinem Kleidungsstil ausdrückt. Von der passenden Rocklänge einmal abgesehen, gehört eine perfekt verarbeitete Bluse zur Grundgarderobe. Je nach gewünschter Körperbetonung (Taille, Schulter) und Mut zur Exzentrik ist das Modell von Andrew Gn für Herbst/Winter 2015/16 ein Leckerbissen...
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An so einer herrlichen Bluse (von Andrew Gn) beißen sich Produktionsleiter, die auf den Cent achten müssen, die Zähne aus: sechs Stoffstreifen an jedem Ärmel einzeln vernähen.
Die gute Nachricht (im Fashionwonderland ist noch nicht alles verloren): Hermès ist das Unternehmen mit dem größten Umsatzplus. Das französische Modehaus adressiert die qualitätssuchende Luxus-Kundin mit Produkten, die aus den weltweit besten Materialien (brasilianische Maulbeerseide, Leder ohne Mückenstich) in besonders vielen Handarbeitsschritten in Frankreich produziert werden.
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Designer Olivier Rousteing bedient für Balmain in der kommenden Herbst-/Wintersaison die rich party bitch und auch die Nachahmer – Schade, denn Balmain war immer hochwertig sexy und sehr besonders. Dieses Mal werden sich die Kopien auf den ersten Blick nicht mehr so leichtl vom Original unterscheiden lassen.
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Lanvins Chefdesigner Alber Elbaz weiß, wie man Begehrlichkeiten für schöne Kleider schafft, die ihr Geld wert sind und bleiben.
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Steilvorlage:: Was Christophe Lemaire zeigte, hat Zara schon als Schnittmuster vorliegen.
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So schön wird keine Kopie sein, aber das gelegte Muster auf dem Rock von Loewe lässt sich auch als einfacher Druck umsetzen – eine Maßnahme, die Kenzo übrigens fürs eigene Geschäft nutzt: Hochwertige Einzelteile auch in vereinfachter, günstigerer Form den Kunden anbieten.
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An das Einarbeiten der unterschiedlich großen Ösen und das partielle Laminieren des Kleides könnten sich zumindest Sandro und Maje wagen – Pech oder Glück für Mugler?
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Ewa sagt:

    Schöne Fotos!