Neues vom Medical Pro: Corona-Nachwirkungen

Ich hatte Corona − und jetzt...

Corona Blackout. Die meisten Menschen stellen sich Corona als eine Art Grippe vor. So ging es mir auch. Als es mich dann trotz aller Impfungen und Vorsichtsmaßnahmen erwischt hatte, war der Verlauf auch tatsächlich nicht viel schlimmer als erwartet. Das kam erst danach und zwar so heftig und für mich erschreckend, dass es heute mal eine etwas andere Kolumne an dieser Stelle gibt.
Margit Rüdiger Modepilot Corona Blackout Nachwirkungen
Ich, Margit Rüdiger
Ich habe mich frühzeitig impfen und boostern lassen, ebenso mein enges familiäres Umfeld. Die ganzen Monate während der Pandemie habe ich mich extrem vorsichtig verhalten, alle Hygiene- und Abstandsregeln befolgt. Selbst als die Maskenpflicht auch in Bayern bereits entfallen war, habe ich beim Einkaufen und größeren Veranstaltungen immer noch Mund-Nase-Schutz getragen und tue es bis heute. Bei den meisten beruflichen Einladungen war ich ohnehin als online-Teilnehmerin dabei.
Trotzdem habe ich mich dieses Jahr im April mit SARS-CoV-2 b infiziert. Was den Alpha- und Delta-Varianten nicht gelungen war, hat Omikron bei mir geschafft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft das Risiko der Corona-Variante B.1.1.529 seit dem 29. November 2021 ohnehin als „sehr hoch“ ein. Omikron wird nicht nur als ansteckender bewertet, sondern soll auch von schwereren Krankheitsverläufen begleitet werden. Bei diesen „besorgniserregenden Varianten“ sollen herkömmliche Maßnahmen wie Impfungen oder Medikamente weniger gut anschlagen.

Relativ milder Krankheitsverlauf

Ich hatte noch Glück, dachte ich. Mein Krankheitsverlauf war mild. Ich hatte starke Kopfschmerzen, was für mich jedoch eine völlig neue Erfahrung war. Kopfschmerzen kannte ich nur aus nächster Nähe, nie an mir. Als Kind litt ich mit meiner kleinen Schwester, wenn sie mal wieder unter ihrer schrecklichen Migräne zu leiden hatte. Ich dachte damals immer, sie muss ganz viel im Kopf haben, wenn das so weh tun kann, und bei mir wäre weniger drin, weil ich nie so etwas verspürte. Das habe ich jetzt während Corona ausgiebig nachgeholt. Ich dachte, meine Gehirnwindungen tanzen Cha-Cha-Cha, bis mir der Kopf platzt. Dazu kamen Halsschmerzen und Husten. Drei Tage verbrachte ich im Bett, den Rest der Quarantäne zwar im Haus, aber ich konnte wenigstens aufstehen. Danach war fast alles vorbei. Im Nachhinein fand ich, dass ich glimpflich davon gekommen bin.
Margit Rüdiger Modepilot Corona
Ich fühlte mich ganz anders
Vier Wochen ist es jetzt her, seit ich wieder gesund bin. Genesen wie es in der Medizinersprache heißt. Ich merkte nicht, dass sich in meinem Körper irgend etwas gravierend verändert hatte. Zwar wurde ich schneller müde, schlief noch schlechter als sonst - was ich unter Stress verbuchte. Dann kam der Samstag am letzten Wochenende. Meine jüngere Schwester und mein Schwager aus Berlin waren zu Besuch. Der Tag verlief gemütlich und harmonisch. Ich war mit den beiden Einkaufen für unseren Grill-Abend und Espresso-Trinken vor der Türe bei meinem kleinen, italienischen Lieblingsladen am Ammersee. Mein Mann hatte währenddessen unseren Junghund Byron übernommen und mit ihm eine ausgiebige Wanderung gemacht.

Corona Blackout − ein grauenhaftes Erlebnis

Am Nachmittag zu Hause auf unserer Terrasse war es traumhaft warm. Ich beschloss, was ich schon längst machen wollte, einen kleinen Schubladen-Schrank anzustreichen, in dem die Gartenutensilien verstaut sind. Er sollte die graue Farbe einer großen indischen Garuda-Figur bekommen, die darauf ihren Stammplatz hat. Sie stellt das Reittier des Hauptgottes Vishnu dar und ist ein geliebtes Reise-Souvenir aus Indien. Die Farbe und die nötigen Maler-Utensilien hatte ich schon im letzten Jahr gekauft, doch nie hatte es zeitlich oder wettermäßig gepasst. Das Holz von Kasten und Schubladen war schnell gereinigt, mein Mann half mir beim Abschmirgeln. Wir beide waren alleine auf der Terrasse.
Ich weiß noch, dass mir plötzlich schwindlig wurde und ich mit der grauen Farbe an meinem Pinsel die Jeans von meinem Mann bekleckste. Er war nicht gerade begeistert und ging sie mit einem Spezialmittel reinigen. Ich hatte mich wohl schnell wieder aufgerappelt und malte weiter. Keiner merkte etwas, mein Verhalten war wohl unauffällig. Aber von da an kann ich mich an nichts mehr erinnern. Nicht, wie sich mein Mann von mir verabschiedete, er wollte noch mal kurz in seine Firma fahren. Nicht, wie ich die Malerarbeiten beendete. Nicht, wie ich mich anschließend offensichtlich umgezogen hatte.
Etwa zwei Stunden später saß ich − in frischen Klamotten − geschockt und heulend vor meiner Schwester und erzählte ihr, dass ich mich an nichts erinnern könne, was in den letzten zwei Stunden passiert sei. Sie fragte mich, ob ich wisse, welchen Wochentag wir hätten. Ich antwortete wahrheitsgemäß „Samstag“. Das aktuelle Gedächtnis war da, aber die vergangenen Stunden - völliger Blackout, tiefe Finsternis. War die Hitze schuld, oder vielleicht das Arbeiten mit dem Kopf nach unten der Auslöser? Ich habe keine Ahnung.

Der erschreckende Blick − ins Nichts

Nur eines weiß ich sicher: Es ist ein wahrhaft grauenhaftes Gefühl, nichts mehr zu wissen. So muss sich Alzheimer und Demenz anfühlen, dachte ich mir. Der Blick ins Nichts. Ich zermarterte mein Gehirn, doch ich konnte nur Bilderfetzen hervorholen, von denen ich noch nicht mal unterscheiden konnte, ob sie Realität oder Fiktion waren. Mein Geist und mein Körper waren so erschöpft von dem Erlebten, dass ich fror trotz der sommerlichen 28 Grad und die nächsten Stunden schlafend verbrachte.
Am nächsten Tag war (fast) alles wieder normal. Mein Gehirn funktionierte, wenn es sich auch etwas in Watte verpackt anfühlte. „Brain fog“ nennen es die Mediziner. Nur der Nachmittag vom Vortag ist wohl für immer aus meinem Gedächtnis verschwunden, als hätte jemand einen Delete-Button gedrückt. Als Journalistin habe ich mich natürlich sofort auf die Suche im Internet gemacht. Und meine Recherchen haben ergeben, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 Störungen im Gehirn hervorrufen kann. Die Auslöser sind vielfältig, zum Beispiel können Entzündungen, Dysfunktionen bei Zellen und Blutgefäßen oder Reaktionen des Immunsystems zu Ausfallerscheinungen führen. Es wurde beobachtet, dass dieser Rebound-Effekt ein bis vier Monate nach der Genesung auftreten und sich in neurologischen oder kognitiven Einschränkungen wie Gedächtnis-, Konzentrations- oder Empfindungsstörungen äußern kann. Laut Dr. Jördis Frommhold, Chefärztin in der Median Klinik Heiligendamm, die auf die Rehabilitation von Post-Covid-Erkrankten spezialisiert ist, sind mehr Frauen als Männer davon betroffen.
Ich kann nur hoffen, dass es für mich ein einmaliges „finsteres“ Erleben bleibt und so ein Blackout nie wieder auftritt. Aber es hat mir einmal mehr gezeigt, dass Corona einfach nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist.
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Photo Credit: Modepilot
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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