Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

Bitte mal recht bös schauen!

Einen mürrischen Blick aufzusetzen, das dürfte momentan nicht allzu schwer fallen. Bei vielen hat er sich nach drei Wochen Ausgangsbeschränkungen in den Gesichtern bereits festgesetzt, wie ich immer öfter beim Einkaufen feststelle. Ob sie schon mal daran gedacht haben, damit Geld zu verdienen?
Meine heutige Kolumne schreibe ich mit einem Augenzwinkern. Denn ich denke, wir alle können eine Aufheiterung gut vertragen. Deshalb: Schon mal was vom „Resting Bitch Face” (salopp übersetzt: bleibendes Zickengesicht) gehört? So nennen die Amerikaner den sauertöpfischen Gesichtsausdruck. Den Namen hat sich die US-Journalistin Taylor Orci (IG taylororci) ausgedacht, die ständig auf ihr trauriges Gesicht angesprochen wurde. Dabei ist sie als Comedian alles andere als eine triste Person.
Resting bitch face Modepilot Mugler
Resting Bitch Face bei Mugler, Herbst/Winter 2020
Bei betroffenen Männern bezeichnet sie das Phänomen übrigens als „Resting Asshole Face“. Berühmtestes RBF ist die Katze „Grumping Cat“, dank ihrer mürrischen Miene ist sie zu einem Super-Influencer geworden. Der grimmige Blick hat ihr bei Madame Tussauds in San Francisco eine Wachsfigur eingebracht und ihrer Besitzerin Tabatha Bundesen jede Menge Kohle. Sie soll in zwei Jahren 80 Millionen Euro mit dem Konterfei ihrer wütenden Katze verdient haben. Inzwischen lässt sie das Tier sogar von einem Agenten vertreten.

Eine Laune der Natur

Kann man sich tatsächlich an „Grumpy“ ein Beispiel nehmen und mit nichts als hängenden Mundwinkeln zu Geld und Ruhm gelangen? Wenn schon, dann muss das Grantlitz wie bei der Katze echt sein und nicht aufgesetzt. Wirkt ein Gesicht auf andere nicht gerade freundlich oder gar arrogant, ist das tatsächlich eine ungerechte Laune der Natur. Dafür gibt es mehrere Faktoren: Schuld daran sind bereits im Ruhegesicht vorherrschende steile Furchen zwischen den Brauen, im Volksmund Zornesfalten genannt, oder ausgeprägte Tränenrinnen. Auch tief hängende Oberlider und die nach unten zeigenden Mundwinkel, die sich in merkelhaften Marionettenfalten fortsetzen können, geben non-verbale Botschaften: ärgerlich, abweisend, schlecht gelaunt.

Mein Gesicht gehört mir!

Werden Sie oft gefragt, welche Laus Ihnen denn über die Leber gelaufen ist? Oder, ob etwas Schlimmes passiert ist? Oder man fordert Sie regelmäßig auf, doch mal zu lachen. Kommen Sie dem Wunsch nach, fühlt sich das Lächeln komisch in Ihrem Gesicht an? Dann gehören Sie auch zur Gruppe der „Grumpy Cats“. Das heißt jetzt aber noch lange nicht, dass sie tatsächlich ein Sauertopf sind und immer schlechter Laune. Ihre Mimik sieht eben nur nicht nach überbordender Lebensfreude aus. Dabei haben Sie viele Leidensgenossen – vom Filmstar bis hin zum Royal. Gerade in Hollywood, dem Land des verordneten Lächelns, heben sich Griesgesichter noch deutlicher von den Unmengen an 'smiling people' ab. Allen voran Victoria Beckham, die selbst wenn sie aus Versehen mal lächelt, aussieht, als müsse sie gleich in Tränen ausbrechen.
Victoria Beckham Resting Bitch Face Modepilot
Victoria Beckham
Auch Queen Elizabeth, Kirsten Stewart, Lana del Rey und Kanye West wirken in unbedachten Momenten stets so grimmig, als hätte man sie zu etwas ganz Schrecklichem gezwungen. Die Schauspielerin Anna Kendrick („Twilight“-Saga) wurde schon als kleines Mädchen ständig aufgefordert, doch mal zu lachen. Deshalb regte sie per Twitter ein Fotofilter für alle Zickengesicht-Opfer an. Öffentlich gegen den weiblichen Freundlichkeitszwang wehrte sich auch die zeitgenössische amerikanische Malerin, Streetart-Künstlerin und Illustratorin Tatyana Fazlalizadeh. Sie brachte in Brooklyn überdimensionale Streetart-Porträts von ernsten Frauen an mit der Überschrift „Stop Telling Women to Smile!”
Ihre Botschaft: Mein Gesicht gehört mir. Damit verurteilte sie das Lächelgebot und verglich es als ebenso unzulässigen Eingriff in die Selbstbestimmung der Frau wie propagierte Schönheits- und Verhaltensideale. Normalos, denen ihr Gesicht in Kontakt mit ihrer Umwelt häufig im Weg steht, tauschen ihre Erfahrungen längst online in speziellen RFB-Foren aus.

Das sagt die Wissenschaft

Auch das Phänomen des Grantlitz haben die Wissenschaftler inzwischen untersucht. Genauer gesagt waren es die beiden Programmierer Abbe Macbeth und Jason Rogers von dem niederländischen Tech-Unternehmen Noldus Information Technology. Sie haben eine Software namens „FaceReader" entwickelt. Diese übersetzt sozusagen Gesichter in Emotionen wie Freude, Angst, Trauer, Wut, Ekel und Verachtung. Dazu analysiert das Programm winzige, für uns kaum wahrnehmbare Muskelbewegungen im Gesicht. Anders als bei einem menschlichen Betrachter, fällt die Beurteilung durch die Software völlig objektiv aus.
J.W.Anderson Modepilot Resting Bitch Face
Resting Bitch Face bei J.W.Anderson, Herbst/Winter 2020
Macbeth und Rogers ließen Fotos von Prominenten jeweils mit neutralem Gesichtsausdruck durch das Programm laufen. Es errechnete in Prozent die Anteile an Emotionen, die in der Mimik erkannt wurden. Das Ergebnis: Bei allen, die nicht zu den RBFs gehörten, zeigte der "FaceReader" zu 97 Prozent den „neutralen” Gesichtsausdruck an. Bei den notorischen Resting Bitch Faces überwog stets eine Emotion: Verachtung. Damit haben wir die Bestätigung, dass nach unten hängende Mundwinkel, hochgezogene Augenbrauen und ein gelangweilter Blick Verachtung widerspiegeln. Kein Wunder also, dass so eine Mimik vom Betrachter automatisch einer unangenehmen Person zugeordnet wird. Auch wenn das in Wirklichkeit gar nicht stimmt, und der Mensch dahinter doch ganz nett und eben keine miese Bitch ist.
Das Forschungsprojekt bewies auch, dass das RFB kein überwiegend weibliches Problem ist, genauso viele Männer sind mit der Miesepeter-Mimik geschlagen. Nur bei Frauen nehmen wir den grimmigen Gesichtsausdruck häufiger wahr, weil von ihnen erwartet wird, dass sie immer gut gelaunt lächeln. Wollen Sie wissen, ob Sie auch so ein Grantlitz haben? Unter „Test your RBF“ (https://www.testrbf.com/) können Sie Ihr Foto analysieren lassen. Ich gehöre übrigens nicht zum Club!
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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