Bambus − die bessere Alternative zu Baumwolle?

Heute gilt Bambus als die Alternative zu Baumwolle. Weil Bambus keine Ökosysteme zerstört, deutlich weniger Wasser benötigt, und schneller nachwächst. Aber auch tolle Trageeigenschaften hat. Denn die Bambusfaser hat einen runderen Querschnitte als Baumwolle, was sie zu einem glatteren, glänzenderen Garn verspinnen lässt. Außerdem kann sie mehr Feuchtigkeit aufnehmen als die Baumwollfaser und ist weicher.
Julia Zirpel, Gründerin von The Wearness, einem Onlinemarktplatz für nachhaltige Designermode: „Baumwolle ist der schlimmste Wasserverschwender unter den Textilien. Im Durchschnitt werden 8.000 Liter Wasser benötigt, um ein Kilogramm Baumwolle anzubauen. Bambus dagegen braucht zum Wachsen nur Sonnenlicht und Regenwasser. Eine künstliche Bewässerung ist nicht erforderlich.“
„Darüber hinaus“, so Zirpel weiter, „laugt der Baumwollanbau den Boden so stark aus, dass Kunstdünger erforderlich ist, um den Boden so weit zu revitalisieren, dass ein weiterer Anbau möglich ist. Infolgedessen verursacht Baumwolle weltweit unglaubliche 11 Prozent aller Pestizide und 25 Prozent aller Insektizide. Beim Bambusanbau hingegen werden keine Pestizide, Insektizide oder Düngemittel benötigt, da Bambuspflanzen eine natürliche Abwehr gegen Bakterien haben.“
Aber Vorsicht ist geboten. Denn Bambus-Viskose braucht in der Herstellung sehr viel mehr Energie als Baumwolle und schlimme Chemikalien. Oft wird ein rein synthetisches Produkt als Bambusware verkauft. Daher lohnt sich ein genauer Blick und kein blindes Vertrauen, wenn Modelabels mit umweltfreundlichem Bambus werben.

Unsere Bambus-Favoriten

Bei Bamburista, einem kleinen und jungen Label aus Den Haag mit viel Erfahrungswissen aus der Schuhbranche, hat man sich dazu entschlossen, den Bambusstoff einfach selbst herzustellen. Sie nennen ihren Bambus-Canvas 'BmGuya'. Claire de Bruijn, eine der drei Gründerschwestern, erklärt ihn uns: „BmGuya ist ein einzigartiger Canvas aus 100 Prozent Bambus. Um die Fasern zu erhalten, werden Bambuszweige zu einem Zellstoff zermahlen. Dieser wird dann zu einem Garn gesponnen, aus welchem dann BmGuya-Canvas auf Webstühlen entsteht.“
Bamburista Bambus Canvas Schuhe Modepilot
Schuhe aus Bambus-Canvas von Bamburista, in verschiedenen Farbgebungen über Bamburista.com erhältlich >>>
Den Schuh von Bamburista trage ich seit ein paar Wochen. Er muss nicht eingelaufen werden (herrlich weich!), um super bequem zu sein. Ich trage eine extra Bambus-Sohle, weil der Schuh sonst etwas weit für mich ist, aber das ist es wohl, was ihn so bequem und auch lässig aussehend macht. Außerdem bekomme ich keine Schweißfüße darin. Das ist neu für mich. Der Bambus-Canvas glänzt seidig, was ganz typisch für das Material ist, wie mir Claire versichert, aber auch als eine freudige Überraschung für die drei Schwestern kam, die eigentlich gemeinsam einen Matcha-Tee-Laden in Den Haag betreiben (>>>). Ihr Vater leitete jahrelang eine große Schuhmarke und hilft mit seinem Erfahrungswissen. Der ganzen Familie geht es darum, nachhaltig zu leben und generell ein Bewusstsein dafür zu schaffen.

Was sollten wir weiter über Bambus wissen?

Julia Zirpel: „Bambus ist sehr ressourcenschonend. Die Pflanzen entwickeln ein großes Wurzelsystem, aus dem ständig neue Pflanzen wachsen. Und das alles ohne künstliche Bewässerung, Nachsaht oder Dünger. Bei der Ernte werden die Stängel oberirdisch abgeschnitten, während die Wurzel im Boden bleibt und der Bambus nach der Ernte leicht nachwächst. Da das Gras bis zu einem Meter pro Tag wachsen kann, wird pro Quadratmeter etwa zehnmal so viel Bambus produziert wie Baumwolle. Dank der schnellen Wachstumsrate kann Bambus für die Textilindustrie vier- bis sechsmal pro Jahr geerntet werden und ist somit ein besonders schnell nachwachsenden Rohstoff.“

Wie lässt sich Baumwolle durch Bambus sonst ersetzen?

Der größte Anwendungsbereich für Baumwolle liegt in der Textilindustrie. Davon machen T-Shirts einen großen Teil aus. Diesen Teil kann man persönlich reduzieren − wenn man es eher dezent mag −, mit Marken wie Baserange (mein persönlicher Favorit >>>) oder mit Bamigo, den Favoriten meines Schwiegervaters für Herren-Unterwäsche, T-Shirts und Socken (>>>).
Die Tatsache, dass Bambus viel ressourcenschonender ist als Baumwolle ist auch Grund genug, sich über Handtücher und Bettwäsche Gedanken zu machen. Schließlich wird für beides viel Baumwolle verwendet. Dazu kommt, dass Bambus, wie eingangs beschrieben, mehr Wasser aufnehmen kann als Baumwolle, weshalb auch Handtuchmarken wie Möve Kollektionen aus Bambus anbieten.

Frotteeturban aus Bambus

Ich habe jetzt etwas ganz Neues für mich ausprobiert: Ein Handtuch-Turban für ein schnelles und bequemes Trocknen der Haare. Es stammt von Hairlust und ist aus 'Bamboo Terry 400gsm'. Der nach OEKO-TEX Standard 100 hergestellte Frottee-Stoff besteht aus 70 Prozent Bambus und 30 Prozent Baumwolle.
Modepilot Bambus Handtuch Baumwollalternative
Handtuch-Turban aus 70% Bambus und 30% Baumwolle, von Hairlust
Tatsächlich hätte ich mir so einen Frotteeturban nie gekauft. Warum auch, wenn man sich ein gewöhnliches Handtuch (das lang genug ist) um den Kopf wickeln kann? Doch, wie das manchmal ist mit vermeintlich nutzlosen Dingen: Sie können ganz schön genial sein und man möchte sie schnell nicht mehr missen.
Kein Balancieren mehr mit einem Handtuch auf dem Kopf, das sich schnell lösen und fallen könnte. Kein frühzeitiges Abnehmen des selbst gemachten Wickelturms, weil er doch zu schwer wird und sich die feuchte Hitze darunter staut. Jetzt sitze ich mit dem Bambus-Turban an meinem Computer, ohne einen heißen oder kalten Kopf zu bekommen, während meine Haare schneller trocknen.

Bambuskissen statt Baumwoll- oder Seidenkissen

Am Abend bette ich mein Haar auf ein Kopfkissen aus Bamboo Lyocell®, ebenso von Hairlust, und glaube daran, dass die Haarstruktur dadurch weniger von Baumwollfasern angegriffen und stumpf und brüchig wird.
Denn die Bambusgarne sind − wie erwähnt ­− viel glatter als jene von Baumwolle, weshalb so das Material aus Bamboo Lyocell® den Anschein von Seide erweckt. Das bedeutet auch weniger Frizz für die Haare. Und das macht Bambus für ein Kissenbezug interessant − Wie die gehypten Seidenkissen sorgen sie für mehr Glanz und weniger brüchiges Haar. Das Bambuskissen von Hairlust sieht auch so aus wie eines dieser Seidenkissen. Und es ist auch sehr hübsch in einer Geschenkverpackung verpackt, nur eben viel günstiger als echte Seide.
Bambus Kissen Modepilot
Kissenhülle aus Bamboo Lyocell® von Hairlust
Julia Zirpel: „Und noch ein Top-Argument für Stoffe aus Bambus: Bambuspflanzen binden bis zu viermal mehr CO2 als andere Baumarten. Doch man sollte auch wissen, dass Viskose im Herstellungsprozess sehr umstritten ist (und SEHR umweltschädlich sein kann). Wichtig! Die Bambus-Viskose muss in einem Closed-Loop-Verfahren hergestellt werden! Die Chemikalien, die zur Herstellung verwendet werden, dürfen unter keinen Umständen in die freie Natur gelangen.“
Während man bei dem Bamboo Lyocell®, das Hairlust für seine Kissenbezüge verwendet, weiß, dass es sich bei der Produktion um ein geschlossenes Kreislaufverfahren handelt, bei dem 99,7 Prozent der Restchemikalien wiederverwertet werden. Kann man das über Bambus-Viskose leider kaum sicher sagen.

Tencel, auch eine gute Alternative zu Baumwolle (und Bambus)

Doch, ob Bambus-Viskose tatsächlich in einem Closed-Loop-Verfahren hergestellt wurde oder nicht, lässt sich für Abnehmer nicht immer sicher feststellen. Jeroen Adriaans, CEO von Undiemeister, wo die Produktion von Herrenunterhosen von Bambus auf Tencel umgestellt wurde, sagt: „Es ist sehr schwierig herauszufinden, ob die Viskose in einem Closed-Loop-Verfahren hergestellt wurde. Bei Bambus-Viskose gibt es da nur sehr wenig bis gar keine Transparenz, was den Herstellungsprozess angeht, der sehr giftig sein kann.“ Deshalb verwendet das Unternehmen schon seit vielen Jahren keine Bambus-Viskose mehr. Natürlich hat sich in der Zwischenzeit wieder viel getan. Aber ein genauer Blick hinter die Kulissen schadet nie!
Photo Credit: Bamburista, Hairlust
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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