Das war meine Berlin Fashion Week

Leicht angeschlagen (nach Grippe, gefolgt von einer Angina und Mandelentzündung) flog ich am Dienstag nach Berlin. Mit einem Schal ums Gesicht gewickelt. Kein Keim sollte es mehr in meine Atemwege schaffen. Diese Fashion Week stand im Zeichen der Gesundheit: Statt einem Shop-Event lieber mal eine heiße Tasse Tee trinken, im Hotelbett liegen und ne Tierdokumentation auf NDR gucken.
So entspannt nahm ich noch keine Fashion Week wahr. Gut, in Berlin verpasst man ja angeblich auch nicht so viele Trends, wenn man nicht da war. Jedenfalls schaffte ich auf die ganz gemütliche Tour fast all' meine Termine, was auch mal sechs an einem Nachmittag waren!

Meine Berliner Modewoche: Dienstag & Mittwoch

Los ging es (für mich) mit dem Berliner Mode Salon im Kronprinzenpalais: Drei Etagen deutsche Designer, die ihre Herbst/Winterkollektion 2018 zeigten, und Kunsthandwerk. Doch wie immer busselt man sich zunächst durch ein paar dutzend Kollegen, bevor man sich irgendetwas ansieht. Das ist natürlich schön und herzlich. Es war aber auch der größte Immunabwehr-Test seit Wochen für mich. Vor allem, weil jeder Dritte verdächtig hustete.
In zwei großen Räumen im Erdgeschoss und in der 1. Etage zeigten deutsche Designer an jeweils drei Puppen einen Ausschnitt ihrer jüngsten Arbeit. Reglementiert wurde das vom Kooperationspartner Vogue, aber Christiane Arp, die begnadete Schaufensterdekorateurin und Chefredakteurin der deutschen Vogue, stylte die Ausstellpuppen. Das sah nicht nur besonders schön aus, sondern entlastete auch die Designer.

Favoriten im Berliner Mode Salon:

 
Nach drei Stunden benötigte ich eine Auszeit. Und so beschlossen Nina Engelke (Comma) und ich uns auf einen frischen Ingwertee und ein heißen Hühnchen-, bzw. Nudelgericht ins vietnamesische Chen Che Teehaus zurückzuziehen. Das ist sehr gemütlich, super lecker und wunderschön – gerade zu eine Instagrammer-Oase. Es war eine der besten Entscheidungen während der Fashion Week. Auch wenn ich dadurch zwei Modepräsentationen und eine Modenschau mit vielen Prominenten verpasst habe ;-).

Pause und Schnabulier-Tipp:

Chen Che Modepilot Berlin Rosenthaler Strasse Hinterhof
Chen Che, die Teeoase mit vietnamesischer Küche im Hinterhof der Rosenhalter Straße 13
Am Mittwoch begann mein Arbeitstag mit dem Thomas Sabo-Brunch im China Club. Das ist bereits ein Klassiker und zieht ebenso viele Boulevard-Fotografen an wie Anzeigenleute aus den Verlagen. Die Marke kann sich Anzeigen und das Einfliegen größerer Namen leisten. Rennfahrer sah ich hier schon und Georgia May Jagger. Dieses Mal erkannte ich „nur” Moderatorin Nasan Eckes. Die Musikband Culcha Candela und so Leute wie Shermine Shahrivar waren wohl auch da... Aber das Produkt gefällt mir besser! Die Charms wurden überarbeitet, sind klarer und teilweise größer als gewohnt – bisschen Vintage-mäßig, aber nicht mehr so verschnörkelt.
 

Designerin Lana Mueller

Im ersten Stock des Borchardt fand ab 15 Uhr eine Fashionparty statt wie man sie sich für eine Nacht gewünscht hätte, in der man topfit ist: Zwischen Bibliothek und Billardraum wandelten Models durch die Gäste. Sie trugen glänzende und glitzernde Abendmode aus Samt, Seide und Spitze als wäre das Selbstverständlichste auf der Welt. Dazu lief unter anderem „That's The Way Love Goes" (1993) von Janet Jackson und es wurden kleine Mini-Schnitzel und Champagner gereicht. Weil das ganze Setting cool und glamourös zugleich war, kamen die Gäste nicht nur, um sich die Kollektion anzusehen, sondern auch um bis 17 Uhr einfach zu bleiben. Es war voll und heiß und mir wurde es endlich mal so richtig warm.
 
Wer ist Lana Mueller? Lana Mueller ist 1985 in Kasachstan geboren und mit sieben Jahren und ihrer Familie nach Hamburg gekommen. Ihr Studium absolvierte sie in Berlin bei der Esmod und ging anschließend als Praktikantin zu Zac Posen nach New York (die kürzlich auf Netflix erschienene Dokumentation „House of Z” über ihn müsst Ihr Euch ansehen! >>>). Anschließend konnte sich noch ein Design-Praktikum bei ihm wahrnehmen und ging dann aber zurück und gründete in Berlin ihr eigenes Label. Das war in 2015.

Allgemeine Modeentwicklung

Das ist die Entwicklung der Mode: Entweder gülden glänzender Ausbrenner-Stoff als schmal geschnittener, um die Wade faltender Rock. Dazu einen Hauch von einer passenden Bluse und High-heels. Oder Kapuzenpullover. Dazwischen gibt es immer weniger und das, was dazwischen liegt, also etwa ein Etuikleid , ist – rein modisch gesehen – total uncool.
Wirtschaftlich ist die Entwicklung in der Mode eine ganz ähnliche: Das Mittelfeld bricht ein. Was bleibt, das sind Ateliers mit feinsten Stoffen und Handwerk, Luxusmarken, die es schaffen, beständig zu bleiben oder Hypes zu kreieren und auf der anderen Seite Primark & Co. – das zeigt die Entwicklung der letzten Jahre. Alfons Kaiser rief später am Tag zu weniger Konsum auf, als er seine Begrüßungsrede zur F.A.Z.- Modeempfang hielt. Wenn wir konsumieren, dann doch „bitte nur eine Hermès-Handtasche”, sagte er. Eine aktuelle Studie, die Business of Fashion mit McKinsey & Company erstellte („The State of Fashion 2018”), zeigt auch noch mal auf, dass sich das Modefeld zwischen High-end und Low-end aufspalten wird.
Kapuzenpulover und Glitzerroben wird es sowohl aus dem Schneideratelier als auch bei Primark geben. Bis dahin halte ich mich an die Uniform à la Damir Doma: feistes Lederschuhwerk, lederverkleidetes Bein und je nach Bedarf werfe ich mir einen Winterpullover, einen Kapuzenpullover oder ein Abendkleid drüber.

Designer Damir Doma zeigte seine Winterkollektion im Berghain

Der sonst in Mailand und Paris zeigende Designer durfte im berühmten Club Berghain eine Fashion Show abhalten, eine Premiere! Zu verdanken hatte er seinen Auftritt in Berlin der Zusammenarbeit des italienischen Modeverbandes Camera Nazionale della Moda und des deutschen Modeverbandes Fashion Council Germany. So kamen wir in den Genuss, seine Herbst/Winterkollektion 2018 (Damen und Herren) exklusiv in Berlin zu sehen.

Noch zwei Highlights

Wie Miuccia Prada bei den Herrenschauen in Mailand gerade, zeigte auch Damir Doma Fischerhüte. Zu den festen Schuhen mit weichen Lederstrumpfschaften (meine Favoriten der Woche!) gab es Rollkragen/Kleiderkombinationen oder schwarze, asymmetrische Kleider – eines davon trug Model Luca Gadjus zu Blockabsatz-Stiefeletten. Zum asymmetrischen Kleid ist sein Vorschlag entweder ein Boyfriend-Sakko oder die ebenso beliebte Bomberjacke. Alternativ eine Hochwasser-Cordhose zu gefütterten, bauchigen Lederpantoffeln und einem Grobstrickpullover mit Ärmeln bis übers Knie.
Im Prinzip wollte uns der Designer, der sich in einem komplett zerlöcherten Pullover verbeugte, etwas Ähnliches mitteilen wie Alfons Kaiser zuvor: der schönste Look ist der, der nach weniger Konsum und mehr wohl bedachter Langzeit-Investition aussieht.
Lieber einen schief gestrickten Pullover, aber dafür den Menschen kennen, der sich da so liebevoll und ästhetisch wertvoll verstrickt hat.
Zeitgleich begann das traditionelle Schnitzelessen „Dinner with Friends” von Agenturchefin Nicole Weber im Restaurant Borchardt. Das fröhliche Treffen, zu dem auch Freunde aus der Musikszene gern bis spät nach Mitternacht bleiben (dieses Mal waren u.a. wieder dabei: Mousse T., Scooter, BossHoss, Till Brönner), möchte natürlich keiner verpassen. Also trieben im Berghain nicht nur Platzanweiser die Journalisten auf ihre Plätze, sondern auch Moderedakteure und Chefredakteurinnen selbst. Damit pünktlich, um 21 Uhr, angefangen wird. 20 Minuten später, beseelt dieses Fashion Week Highlight gesehen zu haben, machten wir uns auf in die Französische Straße und erschienen 'fashionably late, but not too late'. Es wurde ein herrlich gemütlicher Abend, der für die meisten bereits der perfekte Ausklang einer immer kürzer werdenden Berliner Modewoche war.
Photo Credit: Patrycia Lukas, Modepilot, BrauerPhotos
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Susanne sagt:

    Eine bedenkliche und zugleich besorgniserregende Entwicklung, wenn das Mittelfeld im Mode-Segment einbricht und im Prinzip nur noch "High-End-Mode" und Discounter-Mode übrig bleiben. Schon von Berufs wegen versuche auch ich, auf mein Umfeld einzuwirken mit Sätzen wie "Du brauchst keine T-Shirts für 5 Euro pro Stück" oder "Bitte keine billige Jeans mehr für 20 Euro". Leider entscheidet aber zumeist der Preis im Kaufverhalten. Die Herstellungsbedingungen für billige Kleidung stehen nochmal auf einem anderen Blatt.
    Ansonsten ein schöner Artikel über die Berliner Fashion Week!
    Ganz lieben Gruß von Susanne
    • Kathrin Bierling sagt:

      Ja, das ist traurig, liebe Susanne. Ich habe aber die Hoffnung, dass mit High-end auch das Schneideratelier bei uns um die Ecke gemeint ist, wo wir uns künftig am liebsten einkleiden lassen, weil wir wissen, wer es aus welchen Materialien gemacht hat – ähnlich wie die Entwicklung beim Essen. Ganz liebe Grüße!
      • Susanne sagt:

        Liebe Kathrin,

        das trifft den Nagel genau auf den Kopf.

        Personalisierung & Individualisierung sind hier für mich die Stichworte. Ob auf Grund der höheren Preise in diesem Segment wieder mehr Leute beim Schneideratelier um die Ecke einkaufen werden, bleibt abzuwarten. Die aktuelle Entwicklung mit immer mehr Primark - und Lidl-Filialen stimmt mich da mehr als nachdenklich.


        Wünsche dir eine schöne Woche!
        Susanne
  • Zane sagt:

    The Berlin Fashion week has evolved to a magnificent level! Loved most of the collections this year!
    Rock Renee Blog
  • StephKat sagt:

    Oh, wie schade. Meld dich doch nächstes Mal, dann gehen wir einen Ingwertee trinken!
  • Esra sagt:

    Das Problem ist, dass die Sachen im Mittelsegment von der Qualität her oft leider nicht so viel besser sind, als High Street - also entscheide ich mich lieber für eine mittelgut verarbeitete Jeans für 20 Euro als für eine mittelgut verarbeitete für 200... Leider!

    lg

    Esra


    http://nachgesternistvormorgen.de/