Warum wir uns öfter schick machen sollten

Es gibt Tage, die ziehen sich wie zäher Kaugummi. Man hatte so viel geplant – ein Museumsbesuch, Zeitung lesen, endlich den Brief an die Versicherung aufsetzen. Plötzlich ist es Zeit für den Tatort und man hat wieder nichts geschafft. Natürlich, Sonntage sind zum Müßiggang da. Aber wenn die Trägheit zu oft wabert, steigt die Frustration. Was hilft? Nicht nur ein 10-Punkte-Plan aus einem Motivations-Seminar.
Kleider machen Leute, so sagt man. Damit ist in erster Linie die Außenwirkung gemeint. Doch Kleidung beeinflusst auch unsere Selbstwahrnehmung.
Die Studie „Die Konsequenzen formaler Kleidung auf das kognitive Denken“ der Columbia University und der California State University in Northbridge ergab: Kleidung hat einen immensen Einfluss auf unser Denkvermögen. Für die Studie wurden im ersten Schritt 60 zufällig ausgewählte Studenten befragt, deren Kleidung auf einer Skala von 1 (wenig formal) bis sieben (sehr formal) eingeteilt wurden. Für den Test mussten sie Objekte in Kategorien wie „Möbel“, „Fahrzeuge“ oder „Gemüse“ zuordnen. Ein Kamel passt nach dem Forschungsverfahren am besten in die Kategorie „Fahrzeuge“. Je formaler die Kleidung der Probanden wirkte, desto besser waren Sie in der Lage, dieses abstrakte und strategische Denkvermögen zu leisten.
Kurz gesagt: Hängt man in schluffigen Kleidern ab, ist auch unser Gehirn im Relax-Modus.
Um die Ergebnisse zu verifizieren, wurden in weiteren Tests die Kleidung bewusst manipuliert. Die Studenten wollten zwei unterschiedliche Outfits mitbringen – eines, das sie zu einem Bewerbungsgespräch tragen würden, und eines, das sie an einem normalen Tag in der Uni tragen würden. Wieder konnten die Teilnehmer in Anzug und Kostüm die abstrakten Aufgaben erfolgreicher lösen. „Wir haben herausgefunden, dass sich Leute mit formaler Kleidung mächtiger fühlen, was sie wiederum zu abstrakterem Denken veranlasst", erklärte Ko-Autor Michael Slepian von der Columbia Business School. Wer T-Shirt und Turnschuhe trägt, neigt dazu, sich in Details zu verlieren statt lösungsorientiert zu arbeiten. Oder wie es Anna Wintour formuliert: "If you can't be better than your competition, just dress better." Allerdings: Wenn sich alle in den feinen Zwirn schmeißen, dann entsteht durch die Kleidung keine soziale Distanz. Der Anzug ist dann kein Machtsymbol mehr.
 
Bleibt nur die Frage, warum so viele Anzugträger in der Bahn nicht den abstrakten Zusammenhang zwischen lauten Telefonaten mit Buzz-Wörtern wie „challengen“, „Big Data“, „So wie Apple“ und erhöhtem Aggressionspotenzial der Mitreisenden begreifen.
[show_shopthepost_widget id="1320147"]
Photo Credit: Header: Pallas Paris, Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Esra sagt:

    Hahaha super toller spannender Artikel und das Beste ist die Frage am Schluss 😀 Das denke ich mir auch oft bei solchen Heinis: DU NERVST :DDD

    lg

    Esra


    http://nachgesternistvormorgen.de/
  • Birgit sagt:

    Das Auflösen des Machtsymbols wäre doch eine Idee wert und ein guter Grund sich immer schick zu machen...

    LG

    Birgit


    http://sunandeasy.blogspot.de/
  • Jana sagt:

    Dieses Phänomen beobachte ich an mir selbst auch bei Make-up - Face in work modus. Rest des Körpers folgt.