Der Snob-Effekt - warum Verkäufer arrogant sind

Ich hasse Einkaufen in Luxusboutiquen. Ob als schaulustiger Teenager in Chucks, aufgerüschte Studentin mit Designer-Handtasche oder heute im Understatement-Look. Mit offenem „Hallo“ oder schlecht gelaunt und versteckt hinter einer zickig großen Sonnenbrille: Man betritt eine  Luxusboutique, wird von den Verkäufern kritisch abgecheckt und anschließend wird man durch den Laden verfolgt, als sei man ein stadtbekannter Silberlöffel-Dieb. Mein letztes Erlebnis dieser Art war bereits vor einer Woche in der FAZ zu lesen. Alles Einbildung?
Mitnichten. Tatsächlich verbirgt sich hinter diesem ablehnenden Verhalten eine verkaufsfördernde Maßnahme:

Der Snob-Effekt

Allgemein versteht man in der Betriebswirtschaftslehre unter dem Snob-Effekt ein abnormes Nachfrageverhalten der Konsumenten: Je teurer, desto begehrenswerter erscheint ein Produkt, denn ein extrem hoher Preis verkleinert den potenziellen Kundenkreis. Umgangssprachlich ausgedrückt: Haste was, biste was!
Hier soll es aber um den Snob-Effekt im Einzelhandel, besonders im Luxussegment, gehen. Zur durch hohe Preise erzeugten Begehrlichkeit addieren wir den arroganten Verkäufer, der den Charme eines Eisschranks versprüht und signalisiert: Du gehörst nicht dazu. Im Unterbewusstsein entsteht durch die künstliche Hürde der dringliche Wunsch, unbedingt dazugehören zu wollen. Diese These hat die Studie "Should the devil sell Prada?" (2014) der Saunder Shool of Business der University of British Columbia belegt. Studienleiter Darren Dahl verglich dieses Phänomen mit der Cliquen-Bildung in der Schulzeit - je unhöflicher und ablehnender die Probanden behandelt wurden, desto stärker stieg die Sehnsucht, Mitglied der Clique zu sein.
Allerdings zeigt die Studie auch Grenzen: Diese Taktik funktioniert nicht mit günstigen Massenprodukten. Nachdem einige Zeit vergangen ist, lässt die Begierde auch nach – die negative Erfahrung bleibt jedoch präsent. Dieser Kunde (ich zum Beispiel) kommt nicht wieder.
Es gibt natürlich auch Kundinnen, die nicht nur dazugehören wollen, sondern selbst zum Snob werden und erst recht die Kreditkarte glühen lassen. Frei nach dem Motto: Ich kaufe so viel, dass du mich nie mehr vergisst!
Und an dieser Stelle ist wieder einmal Zeit für eine der legendärsten Shopping-Szenen. Julia Roberts in Pretty Woman: "Big mistake. Huge!"
Photo Credit: PR (Prada, The Iconoclasts)
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Chael sagt:

    " ... wird man durch den Laden verfolgt, als sei man ein stadtbekannter Silberlöffel-Dieb. "

    Word!


    • Rose sagt:

      Oh ja!... und sollte man es tatsächlich wagen, ein Teil anzusehen, wird sofort energisch vorwurfsvoll der Bügel wieder millimetergenau ausgerichtet, kaum hat die bedauernswerte Käuferin eine Zehntelsekunde lang den Blick auf das kostbare Stück riskiert. Man hat mir dabei schon die Finger eingeklemmt!
      • Isabelle Braun sagt:

        Haha Rose! Nicht dein ernst? Das ist ja Street-Comedy!
  • Melanie sagt:

    Interessanter Artikel! Der Soziologe Ralf Dahrendorf hat dieses Phänomen im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zur Dienstklasse beobachtet. Ob Bedienung im Sternerestaurant, Rezeptionist im Grand Hotel, Verkäuferin von Luxusmode - der permanente Umgang mit hochpreisigen Luxusartikeln und Kontakt zu elitärer Kundschaft in teurem Ambiente färbt derart auf das Servicepersonal ab, dass sich, überspitzt formuliert, die Prada-Verkäuferin fühlt wie Miuccia persönlich - was sich in herablassendem Verhalten äußern kann; sie sieht sich als "Angehörige" des Prada'schen Luxusuniversums - ihr berufliches Hoheitsgebiet - dem Kunden übergeordnet. Dies steht im Widerspruch zu ihrer eigentlichen Klassenzugehörigkeit: privat trägt die Verkäuferin ihr Angestelltengehalt nicht kofferweise zu Chanel und Hermès, genausowenig wie der Rezeptionist seinen Sommerurlaub in einer Suite im 5-Sterne-Hotel verbringt.
  • mademoiselleTamTam sagt:

    Das Buch von Sibylle Berg bzw. das Kapitel ich glaube es heißt "Boutiquenverkäuferin" sei an dieser Stelle wärmstens empfohlen.
    • Isabelle Braun sagt:

      Du meinst das Buch "Wie halte ich das nur alles aus?", oder?
  • Rose sagt:

    Der Artikel spricht mir aus tiefster Seele! Was ich in Prä-Internet-Zeiten in Geschäften der Münchner Luxusmeile erlebt habe, würde ein Buch füllen. Meine Konsequenz: ich kaufe nur noch online, der Kundenservice der Anbieter ist freundlich und kompetent - eine Ausnahme gibt es allerdings: New York! 😉

    An Euch ein herzliches Danke für zahlreiche amüsante, interessante und informative Beiträge - ich habe viele eurer Tipps befolgt und bin heute noch glücklich damit. Von mir bekommt Ihr ein ganz großes Lob!


    • Isabelle Braun sagt:

      Liebe Rose, vielen lieben Dank für die lieben Worte - das Wochenende ist gerettet :*
  • Eva sagt:

    Das kenne ich auch ganz im Gegenteil, kommt irgndwie auch auf die Stadt an und natürlich gibt es superunfreundliche Verkäuferinnen, allerdings in allen Preisklassen ... Ich zwinge die Unfreundlichen mit übertriebener Freundlichkeit, Charme und Beharrlichkeit, sich zu bessern ... aber eigentlich erwarte ich wie alle Kunden, dass man in Deutschland so professionell wie in den USA selbst am Grabbeltisch üblich, freundlich bedient wird ... (da sind aber auch die Kunden durchwegs freundlicher, oder? 😉
    • Chael sagt:

      I have profound shopping experience regarding Austria, Germany, and the US.
      Shopping itself isnt exactly a pleasure in Austria and Germany. The worst thing is when you experience problems with a purchased product. You really have to fight customer service. Because they would argue, it's your fault, you were too dumb, too careless, or there is no problem at all. If you are a clam or resevered person, you are doomed. That's so annyoing to me.
      In the US you dont have to argue and fight and both, customers and sales staff, are much more friendly.
  • Jen sagt:

    Ich gehe sehr viel in Hamburg und Berlin einkaufen und auch in teure Läden. Ich wurde bisher aber noch nie schlecht behandelt. Oder hatte das Gefühl, dass ich komisch angeguckt worden bin. Obwohl ich nicht immer etwas kaufe und auch nicht immer "passend" für diese Läden angezogen bin, z.B. wenn ich gerade von der Uni komme. Allerdings finde ich, dass man z.B. bei Zara oder aber auch bei Massimo Dutti nicht wirklich freundlich behandlt wird.
  • FrauFritz sagt:

    Ich muß leider sagen, je älter ich werde, desto freundlicher werde ich in den Geschäften behandelt.

    Waren die Verkäuferinnen früher etwa noch schlimmer? Oder hat es eher damit zu tun, dass es den meisten Menschen leichterfällt, Unverschämtheit gegenüber jungen Menschen an den Tag zu legen.

    Wahrscheinlich dreht sich das spätestends dann wieder um, wenn ich ins Greisenalter komme...


    • Lisa sagt:

      Ich denke, das hat damit zu tun, dass Verkäuferinnen leider immer noch dem Trugschluss aufsitzen, dass älter automatisch mehr Kaufkraft bedeutet.

      Das mit der Freundlichkeit/Professionalität ist neben dem kulturellen Aspekt (Servicegedanke) auch eine Frage der Schulung ....


    • Rose sagt:

      Das allerdings erlebe ich mittlerweile auch so. Mag sein, dass man jenseits der 50 eine Gelassenheit ausstrahlt, ein ruhiges Selbstbewußtsein gepaart mit distanzierter Höflichkeit, an denen Arroganz einfach abprallt. Shop Assistants werden darüber hinaus heute sehr gut geschult, das war früher auch nicht üblich, da genügte gutes Aussehen und Kleidergröße 36 😉
  • S. sagt:

    Ich kann mich noch so gut daran erinnern, als ich vor 3 Jahren mit meinen Eltern in Mailand war.

    Als ich, gerade mal ein Teenager, dort die wunderschönen Kleider im Schaufenster von Dior sah, trugen mich meine schicken Chucks auf direktem Wege näher an dieses heran.

    Begeistert sah ich mir die Stoffe, Schnitte und Schuhe an, bis ich aus Augenwinkeln den Blick einer der Verkäuferinnen sah.

    In dem Moment wusste ich, was mit "Todesblick" gemeint ist.

    Natürlich war ich in diesem Alter (Und auch heute noch) aufgrund des Preises keineswegs fähig, mir die Kleider zu kaufen. Aber wenigstens im Schaufenster schauen, hätte ich ganz schön gefunden.

    Immerhin konnte ich in Chucks schnell das Weite suchen.


    http://www.cappuccinocouture.blogspot.de/
  • Mr. T sagt:

    Der Umgang mit diesem "Phänomen" ist ist doch so einfach: Sei noch viel arroganter!

    Also ich praktiziere das schon seit Jahren so. Erfolgreich. Denn "wo ich bin ist vorne" ist meine Devise - und auch Lebenseinstellung.

    Gut, an der Kasse hilft dann sicher auch die Farbe meiner Kreditkarten die Validität dieses Verhaltens zu untermauern 😉 #LikeABoss