Familienbande II
Diese Familienbande sind seit gestern etwas gelockert, denn was nutzt es einem, dass Blut dicker ist als Wasser, wenn die engste Verwandtschaft einen im Stich lässt?
Ich also in Paris gestern. Bewährter Eintagestrip. Und ich fahre da ja nicht zum Spaß hin, sondern um einzukaufen. In dem Zusammenhang fiel mir da nun diese Waaaaahnsinns-Lederjacke von Rick Owens vor die Füße. Ein Teil fürs Leben.
Nun bin ich aber gerade, äh, pleite. Alles verprasst, Konto im Minus, Katastrophe.
Aber so eine Jacke, an der kann man nicht einfach vorbei gehen. Und so tat ich etwas, das ich noch nie getan habe: Papa anrufen, um ein zinsloses Darlehen zu erbetteln.
Das Pech war aber, dass Papa noch beim Mittagsschlaf war. Und aus irgendeinem Grund mein Lieblingsbruder den Hörer abnahm.
Ich (mit abgekämpfter Stimme, am Ende meiner Kräfte): "Ich bin dran."
Bruder: "Und, wie isses in Paris?"
Ich: "Schön. Hol mal Papa."
Bruder: "Der hält noch Mittagsschlaf."
Ich: "Dann weck' den. Sofort."
Bruder: "Is' was passiert? Was brauchst Du denn?"
Ich: "Nix. Hol Papa."
Bruder: "Jetzt sag' doch mal, was los ist!"
Ich: "Mann! Ich hab hier ein kleines Problem..."
(und in dem Moment besinne ich mich, dass mein Bruder normalerweise auch immer solvent ist und versuche, das Ganze abzukürzen und Papa nicht zu stören. Älterer Herr, der braucht schließlich seinen Schlaf. Das respektiere ich.
Ich (mit allerfreundlichster Stimme): "Also, ich hab' da eine Jacke gesehen. Ganz tolles Teil, ein Klassiker, was fürs Leben. Verstehste? Und die hätt' ich so gern, aber ich hab' doch grad kein Geld. Und, äh, also, äh... kannst Du mir das vielleicht leihen?"
Bruder: "Wie viel brauchste denn?"
Ich nenne den Betrag. Schluck.
Bruder: "Du bist doch völlig Panne."
Ich: "Dann hol' jetzt SOFORT Papa!!!"
Bruder legt auf.
Was sagt man dazu? Nicht mal die eigene Brut hilft einem in Notsituationen! Dabei musste früher immer ICH meinem Bruder Geld leihen (OK, das war in der Grundschule, aber die Relationen sind doch die gleichen).
Wie so etwas in anderen Familien abläuft, durfte ich - ebenfalls gestern in Paris - bei einem Ehepaar (Herkunftsland: USA; dem Aussehen nach: Ostküste, Hamptons) mitverfolgen. Sie probiert bei Lanvin Pumps, ihr Ehemann wandelt gelangweilt, mit Handy am Ohr fünf Meter von ihr entfernt umher. Und als die Lady fündig wird, klatscht sie plötzlich in Richtung Gatte in die Hände und ruft ihm folgenden denkwürdigen Satz zu:
"Buy me a present!".
Mehr war nicht nötig.
Foto: screenshot www.grimmstories.com (Brüderchen und Schwesterchen)

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Kommentare
fashionmaster hat vollkommen recht.
wenn die familie wirklich nichts für fashion übrig hat, darf man keine preise nennen. auch nicht unbedingt alle neuzugänge zeigen.
wenn du die schwarze noch willst, halt dich ran - die ist so gut wie ausverkauft und wohl nur noch ein mal im céline laden in genf zu haben.