Der wahre Sieger des Eurovision Song Contests 2014

Der Eurovision Song Contest ist vielleicht nicht Jedermanns Geschmack, aber er ist insofern interessant, weil er auch als eine Art Politikum betrachtet werden darf. In den 50ern wurde er sogar aus jenem Grund ins Leben gerufen, da man das durch den Krieg zerteilte Europa wieder enger zusammen wachsen lassen wollte. Die Ergebnisse spiegeln inner- und außenpolitische Beziehungen wider. Gestern Abend jedoch ging es vor allem um eines - um das Thema "LGBT" (Lesbian Gay Bisexual Transgender). Anlass war der Auftritt der österreichischen Travestiekünstlerin Conchita Wurst.
Spätestens seit der Performance von Macklemores Song "Same Love" bei den MTV Music Awards dürfte klar sein, dass der Kampf um die absolute Gleichstellung noch nicht vorüber ist. Anlass für die Protestbewegungen war das im Juni 2013 unterzeichnete Gesetz von Präsident Putin gegen Homosexuellen-Propaganda, das besagt, dass jegliche positive Berichterstattung über Homosexualität verboten ist. Egal ob Privat oder via Medien. Seitdem kam es zu vielen Ausschreitungen. Besonders schockierend die von russischen Rechtsextremen im Netz publizierten Videos, die die Verfolgung, Peinigung und Schändigung von LGBT dokumentieren, und die auf Facebook & Co für Gesprächsstoff sorgen. Es formieren sich Gruppen wie etwa "Enough Is Enough - Stop Homophobia". Eine Organisation, die auch von der deutschen GQ unter dem Projekt "Mundpropaganda" gefeatured wurde.
Das Problem besteht leider noch weiterhin. Die Gesetze sind nach wie vor nicht geändert. Während sich Obama klar und deutlich dieser Situation gegenüber aussprach (auch wenn man den USA eine Ablenkung von anderen Problemen, die mit Russland bestehen, unterstellen kann), so fragt man sich hierzulande: Was sagt eigentlich Frau Merkel zur gesamten Lage? Nichts desto trotz sorgt eine Welle von kreativen Projekten mit prominenten Persönlichkeiten für einen unaufhaltbaren globalen Zusammenschluss mit dem Ziel für eine absolute Gleichstellung aller Menschen. Und der ESC war das gestrige Ergebnis. Conchita Wurst wurde mit ihrem Song "Rise like a Phoenix" und durch den damit gewonnen Sieg zur Gallionsfigur für ein freies offenes Europa oder um es mit ihren Worten zu sagen: "Diese Nacht ist all jenen gewidmet, die an eine friedliche und freie Zukunft glauben. Ihr wisst, wer gemeint ist! Wir stehen gemeinsam - wir sind unaufhaltbar!"
Vor zwei Tagen äußerte sich nun auch endlich ein Pariser Modehaus zur LGBT-Situation. Saint Laurent Paris bezog auf Facebook eine klare Haltung: "The House of Yves Saint Laurent, jointly with its Creative Director Hedi Slimane, cannot tolerate such repressive and anti-egalitarian laws, affecting basic human rights, as the Sharia Law just implemented by the Sultan of Brunei. For this reason, no employees of the House will stay in any Dorchester Collection properties until the Sultan of Brunei repels such laws and positions, that have no place in a civilized society." Wie man sieht, stehen bei diesem Thema auch andere Länder neben Russland im Fokus, denn der Staat Brunei erlaube nun sogar die Steinigung von Homosexuellen.
Ob generell zum LGBT-Thema weitere Modehäuser nachziehen werden? Wünschenswert wäre es.
modepilot saint lauren paris lgbt
Video: Youtube - User "Eurovision Song Contest", Bild: Screenshot Yves Saint Laurent
Photo Credit:
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • René sagt:

    Das ist natürlich ein nettes Statement von YSL, aber nun ist Brunei nicht das einzige Land mit fragwürdigen Gesetzgebungen und interessanter wäre doch, wenn sich ein Label dann von einem Markt zurückziehen würde. Zum Beispiel nicht mehr in Russland verkaufen... (Das ist natürlich illusorisch, ich weiß!)
  • Jérôme sagt:

    Habe die gleich Illusion und hoffe, dass man in irgendeiner Weise reagiert: Statements, Regenbogenschaufenster, ein Regenbogen-Motto für die neuen Kollektionen, Geschäftsschließungen oder halt irgendwas - hauptsache man reagiert.
  • Barbara Markert sagt:

    René, das war auch mein erster Gedanke. Aber das tun sie natürlich nicht. Da würde vie zu viel Umsatzu verloren gehen. Interessant ist auch, dass die Firmen weiter Koops eingehen mit russischen it-Girls, deren Ehemänner Teil des politischen Systems sind.

    Können wir guten Gewissens wirklich bestimmte russische Fashionistas noch gut finden? Nein, oder?


  • Pepe Burkhardt sagt:

    Ganz richtig, Barbara: NEIN! Sehe es genauso!
  • Horst sagt:

    Wenn man ehrlich ist, interessiert es doch im Grunde genommen keine Sau, was auf dem Rest der Welt passiert ...

    Kinderarbeit? Schlechte Arbeitsbedingungen? Schlechte Bezahlung bei Versandhäusern? Sklaverei? Wenn ich mir die deutschen Medien anschaue (bis auf ein paar Ausnahmen) ist die einhellige Meinung: who cares?

    Einzige Ausnahme: Pelz finden alle doof (auch wieder bis auf ein paar Ausnahmen). Wahrscheinlich liegt es da aber auch nur an dem Preis: bei einem Nerz der 50.000€ kostet, fällt es leicht auf den Käufer mit dem Finger zu zeigen, schließlich wird man ihn sich selbst nicht leisten können. Da, wo man selbst gefragt ist zu handeln, also zb beim billigen Shirt von Zara, H&M etc. lässt man das soziale Gewissen schnell unter den Tisch fallen.